DEUTSCHLANDS HERZ-JESU-KAPELLE

■ Zehn Jahre „Foyer des Arts“ - am Dienstag im Loft

Herr Gott, ich glaube fest daran, daß Du Deine Finger schon mit im Spiel gehabt hast, damals im Sommer '78, als Gerd Pasemann jenes Stadtmagazin in den Händen hielt, in welchem der „sangeswütige“ Teenager Matthias Ernst mittels Annonce und Chiffre das Medium für die Installation seiner Wut suchte. Aroma Plus war Fügung und Foyer des Arts die Folge. Schicksal ist es mittlerweile, daß derselbe heute als Max Goldt in das Konzept Deiner deutschen Langeweile pfuscht. Was die beiden Dir bedeuten müßten, wissen sie wohl, denken ich, denn seither trifft sie immer wieder und fast unausweichlich die ganze Wucht Deiner Liebe. Davor warnte aber bereits Paulus, zumindest die Hebräer, in einem Brief (12.1.6.) und schrieb: „Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er....“ Gut hatten es die Hebräer; sie waren gewarnt. Und warum hat Pasemann und Goldt keiner gewarnt? Ich weiß es nicht. Ich kann aber auch nicht daran glauben, daß sie sich freiwillig einbunkern ließen in Deinem Herzen, Herr. Gott, Du hast die Welt oft geprüft, und nicht zuletzt mit dem Poeten Mao Tse-Tung, der da bedauert: “...Schau: die große Mauer, beiderseits geblieben nur Öde.“ Ja, so ist die Poplandschaft, die sich die Deutschen eingerichtet haben, und ich verstehe Dich, wenn Dir die wenigen Oasen lieb und teuer sind (was diese wiederum teuer zu stehen kommt). Aber ist das nicht zuviel der Liebe? Im Foyer des Arts können sie lesen und schreiben. Eine solche Plage befällt deutsche Popmusiker selten genug. Ach, ich weiß, Du schätzt Bildung und Grammatik, was in diesem Zusammenhang sehr originell ist, und strafst Maffay unerbittlich und exemplarisch mit breitestem Publikum, nebst Oskar Lafontaine. Aber, Herr, könntest Du nach diesen zehn Jahren immer währender Liebe nicht für eine erträgliche kurze Weile im Foyer des Arts den Bazillus der Dämlichkeit toben lassen? So, daß Gerd Pasemann und Max Goldt nicht arm sterben müssen. Mich träfe der Schmerz, aber die beiden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Geld und Ruhm. Ich weiß, daß Armut schändet. Was haben sie denn auf Erden von all der zähen Liebe Deinerseits und der anderen halben Portionen neben Dir, welche sie nach London laden oder anderweitig ordentlich loben (bis auf Diederich Diedrichsen, vor dessen Gesang Du sie behütet hast, wofür ich Dir immer danken werde)? Bedenke Herr, auch sie haben sich der Häresie schuldig gemacht. Sie sind Schismatiker, die Du doch ausgiebig zu hassen hast. Erst neulich straftest Du den Erzbischof Lefebvre, indem Du 50 Millionen Mark Gläubigengeld (taz 4.7.88) dem heiligen Stuhl vorenthalten und ihm zugesteckt hast. Muß ich Dir dieses Schisma erst erklären? Paß auf. Zum einen haben deutsche Popmusiker ihr teutonisches Gelaber auf anglophile Discountmuster zu plätten; sie tun es nicht. Für die Verschämteren in der Gemeinde ist es auch opportun, freiwillig in die sprachliche Emigration zu gehen; sie gehen nicht. Zum anderen hat die Gemeinde jederzeit powermäßig jut druff zu sein, gitarrenmäßig zu-klingen-wie, und happymäßig, anywaymäßig und just-for-fun-mäßig mitzuzappeln im Mainstream. Sie aber sind nicht mäßig genug; wenn es also im Foyer des Arts nicht sektiererisch zugeht, Herr, dann erkläre mir, was eine Sekte ist. Gott, o Gott, was bist Du doch blind in Deiner Liebe. Oder trainierst Du am Foyer des Arts für die große Olympiade des Vergebens? Sieh, sie sind ungezogen. Ohne irgendeinen Stellvertreter zu fragen, standen sie am 27. März in der Ost-Berliner Langansstraße mit der dortigen Persona in-grata-Combo teurer denn je auf der Bühne. Das war kein geschütztes Fest in einem Deiner irdischen Appartements, das war bitterer Ernst, organisiert von der FDJ für das geistigkulturelle Wohl der jungen Ostgermanen. Erschreckt vom Sakrileg verbot Frau Oberleutnant in Netzstrümpfen das Fotografieren (darum das schlechte Bild) und ließ den Mann hinter dem Mischpult bedrängen, sofort abzuschalten. Vergebens, denn der versteht nix deutsch, wenn er nicht will. Die Herren von teurer denn je hast du daraufhin kurzentschlossen mit ins Herz geschlossen; jedenfalls bleibt das deren letztes Konzert auf dieser Welt. Goldt und Pasemann sind nicht nur mutig, sie sind auch edel. Aus ihrem Partisanenstück vor ein paar Hundertschaften Publikum haben sie kein publizistisches Kapital geschlagen. Aber vielleicht scheißen sie mittlerweile auf jedwedes Kapital. Jesus, erspare ihnen wenigstens während der jetzigen Tournee durch das Deutschland Strapazen jeder Coleur und laß Dich am Dienstag abend im Loft nicht blicken. Denn sie sind nicht nur mutig und edel, sie sind auch gut und willensstark. Gut sind sie schon seit '78, vonLiechtenstein bis zu der Platte, die da Ein Kuß in der Irrtumstaverne heißt. Ihre Stärke ist auch die Spannung im Ballanceakt über dem Abgrund zwischen Herzschmerz und Filosofie oder Klang und Sprache. Ja, der Wagemut wird es sein, Herr, den Du am meisten liebst. Aber sie können auch stark genug sein, Dir einmal was auszuwischen, was Dir genug Anlaß ist, sie mit Deiner Unaufmerksamkeit zu strafen. Nennen wir es Segen. Ich meine nicht, daß sie Dir etwas kabarettistisches antun würden; so etwas wird ihnen nur unterstellt, um sie der Menschheit zu erklären; bloß weil sie nicht mit tierischem Ernst gebrandmarkt sind. Das heißt nicht, daß da keiner zu weinen braucht, nur weil sich das hier nicht gehört. Ich denke mir das so: Sie spielen Dir da was zwischen die Beine, was Dich menschlich genug macht, herabzusteigen, zu tanzen und zu mir zu kommen. Und da sich Chefs selten was verkneifen können, wirst Du es dann bleiben lassen mit dem platonischen Herumgeliebe und so lange bei mir bleiben, bis im Foyer des Arts einzig und gültig eitel Freude herrscht, ihnen also Gerechtigkeit auf Erden wiederfährt.

Maria Magdalena