Wilander lobbt Lendl vom Tennisthron

■ In Flushing Meadow löst Mats Wilander nach drei Jahren Ivan Lendl als Nummer Eins im Herrrentennis ab

Berlin (taz) - Der Schwede Mats Wilander ist der neue Steffi Graf der Männer. Er gewann das Finale der offenen amerikanischen Meisterschaften in Flushing Meadow mit 6:4, 4:6, 6:3, 5:7 und 6:4 gegen Ivan Lendl, und übernahm damit die Weltrangposition Eins, die vorher sein unterlegener Endspielgegner innehatte. Zum totalen Triumpf der Tennissaison '88 fehlt Wilander nur der Grand Slam, doch drei Siege (vorher in Paris und Melbourne) reichen halt nicht, und die Niederlage in Wimbledons Viertelfinale gegen Miroslav Mecir wird ihn nachträglich doppelt ärgern.

Fast fünf Stunden dauerte der Tennis-Krimi, den dpa in feinster Agentur-Poesie mit dem „entscheidenden Duell am Ende eines Westerns“ verglich. Lendl, der Tennisarbeiter, wehrte sich verzweifelt gegen den Showdown, konnte das Match auch lange spannend halten, aber Wilander, den Tenniskünstler, nie in ernsthafte Gefahr bringen.“

Einiges war anders als sonst, bei den so oft gesehenen Duellen zwischen den Dauergegnern der vergangenen Jahre. Lendl ist Grundlinienspieler und demoralisiert seine Gegner mit seinen unnachahmlichen Passierschlägen. Auch Wilander ist im weißen Sport mit dem gelben Bällchen kein Netzwerker, sondern agiert normalerweise hartnäckig defensiv mit Hinterhaltsschüssen.

In New York versuchten es beide alternativ. Lendl verlor trotz der Erkenntnis „Ich bin Realist und Realisten sind realistisch“, immer wieder die Geduld, keuchte zur Mitte, und schlug die einfachsten Bälle, wenn sie ihn schon nicht passierten, wie ein Anfänger ins Netz oder weit in Richtung Publikum.

Auch Wilander lief immer wieder ungeduldig, oft im falschen Moment, nach vorne (131mal zählten die Statistiker, soviel wie sonst in einem ganzen Turnier nicht), um den Ball dann meist weit hinter sich aufspringen zu sehen. Die Verzweiflung in den Gesichtern der beiden, wieder im falschen Moment das falsche getan zu haben, vor lauter brennendem Ehrgeiz und dem motivierenden Haß auf den Gegner, das machte das New Yorker Endspiel für Fernseh -Schadenfreudianer auch bis fast halb vier deutscher Zeit so richtig sehenswert.

Aber der Schwede hatte auch neues zu bieten. Günter Bosch, der Ex-Vater von Boris Becker, entdeckte in Wilanders Spiel den „geschmetterten Lob“. Lendl vermochte nicht mit einem Stop Slice, einem Longline Cross oder einem Aufschlag-Stop zu kontern - fehlende Flexibilität als Grund für die schmerzende Niederlage.

Ivan Lendl, in Sachen Unbeliebtheit der männliche Steffi, versuchte sich stattdessen beim US-Publikum anzubiedern. Der gebürtige Tschechoslowake, der seit Jahren in den USA wohnt, verkündete als Nicht-Amerikaner, er wolle „ein guter Amerikaner sein“, und fragte brav nach den Ergebnissen im Nationalsport Baseball.

Nach den endgültig dramatischen Schlußminuten im letzten Spiel (zwei Matchbälle hier, zwei Break-Chancen dort) schrie sich der 24jährige Schwede die Anspannung ausgelassen jubelnd von der Seele - ganz anders als tags zuvor das bundesdeutsche Pokerface aus Brühl. Seine neue Spitzenposition sei gut für den Tennissport allgemein, sagte Wilander, „das macht es interessanter, als wenn immer derselbe an der Spitze steht“.

Ein geschmetterter Lob, weit bis ins transatlantische Brühl geschlagen, wo Steffi Graf heute mit dem Training für Seoul beginnt, um mit einem Olympiasieg den Super-Grand Slam zu gewinnen.

Bernd Müllender