BILLY THE KIDS

■ These Immortal Souls im Loft

Es ist nicht so, daß man sie zum Leben brauchen würde, aber es tut gut, sie zu hören. Und zu sehen. Den Charme des ausgemergelten Dunkel, diese romantische Verzweiflung, diese düstere Musik, die nur eins will: endlich Lee Hazelwood von Phil Spector in einer Garage auf Mono produzieren zu lassen.

Die Erben von Oscar Wilde auf der Bühne im schwach besetzten Loft. Rowland S.Howard, hohlwangig und glutäugig, der legitime Rock-Dandy im knochenengen, dunkelblauen Anzug mit Goldlame-Hemd streicht mit dem Daumen die Saiten der Gitarre wie die Trommel eines Colts. Die Stimmung: schwere Akkorde, die Faszination eines spindeldürren Jungen für die Macht in seinen Händen. Eine zarte Berührung, und er zaubert Stakkato-Explosionen aus dem Lauf seiner Gitarre: Billy the Kid.

Sein Bruder Harry Howard am Baß heißt nicht nur so, er sieht auch so aus. So wie sich Harry zu Rowland verhält. Im C&A-Hemd mit offenem Kragen, mit etwas vollen Wangen, spielt er die Rolle dessen, der seinem Bruder Deckung gibt. Der, der immer mit dem Gewehr durch den Hintereingang der Bar unauffällig eintritt, während Rowland die Vordertür aufstößt und alle in die falsche Richtung starren.

Genevieve McGuckin am „Pianola“ ist der große Unsicherheitsfaktor. Niemand weiß, was sie will und was sie kann. Manchmal scheint es, als hätte man ihr gerade das Schießen beigebracht, und dann lächelt sie vielsagend, wenn sie als einzige getroffen hat, und die Brüder verblüfft aufblicken. Epic Soundtracks am Schlagzeug ist zuverlässig, er darf die Pferde halten.

These Immortal Souls sind verwandt mit Birthday Party, mit Nick Cave, mit Crime and the City Solution, mit Lydia Lunch, und man trifft sich ab und zu auf einer Beerdigung. Wieder zu Hause in London staubt man den Anzug aus und distanziert sich dann doch wieder von der ganzen Theatralik, monomanischen Geilheit und sumpfigen Schwermut und schreibt kleine Lieder mit abartigen Geschichten. Mit Melodien, die aus zartem Krach bestehen, dröhnenden Riffs aus Country -Music, nagenden Pianoakkorden über dumpfen Rhythmus, Punkgriffen auf halber Geschwindigkeit.

Seltsame Lieder, Songs, die keine sind, Geräusche, die keine sein wollen. Die schwächste Stelle ist wie immer die entscheidende: Genevieve McGuckin. Ein paar helle Läufe, einige schräge Töne, mit einer Hand, die andere in der Tasche, ein Hauch von witziger Naivität und der lässig -schwere Klang bekommt Farbe. „Down by law“ wäre tot ohne Roberto Benigni.

Eigentlich sind sie furchtbar nett, wie alle, die düstere Geschichten und perverse Gedanken lieben. Die Zigarette zwischen den Lippen hängend - abwechselnd, immer raucht nur einer - erzählen sie stilvoll von ihren Outlaw-Träumen, von ihrer Sehnsucht nach den Sümpfen Australiens, von der Bruderschaft aller liebenswerten Dunkelmänner. Man braucht das wirklich nicht unbedingt, und es gibt Wichtigeres, aber am Montag, den 12.9., zwischen 22 und 23.15 Uhr war es ein gutes Gefühl.

Konrad Heidkamp