Erfolgreicher Handel Cordes wieder frei

Rudolf Cordes nach 20 Monaten Geiselhaft im Libanon freigelassen / Genscher dankt den Regierungen in Teheran und Damaskus für die Unterstützung  ■  Aus Beirut Petra Groll

Die Ereignisse in Beirut entwickelten im Laufe des Montags eine geradezu dramatische Geschwindigkeit. Die von Bonn verhängte Nachrichtensperre über die Affäre um die deutschen Geiseln im Libanon mag zum Chaos der Falschmeldungen und absurden Berichte gehörig beigetragen haben. Hieß es einmal, Cordes solle von einer über Zypern einreisenden Spezialeinheit aus Beirut ausgeflogen werden, wurde aus Bonn nichts Lächerlicheres bekannt, als daß man nichts weiß.

Erst als abends um kurz vor neun ein drittes Statement der „Mujahedin für die Freiheit“ bei einer internationalen Nachrichtenagentur eintraf und erneut die Botschafter der Bundesrepublik, des Iran und einen Abgesandten des syrischen Präsidenten Assad aufforderte, sich „um 21 Uhr am bereits vereinbarten Ort“ einzufinden, „damit Cordes freigelassen werden kann“, war das Schlußstadium des Szenarios erreicht. Selbst der deutsche Botschafter in Beirut mußte sich schließlich fügen, kein Zweifel war mehr möglich, ein Polaroid-Foto des 55jährigen Cordes, offenbar von seiner bevorstehenden Freilassung fest überzeugt und strahlend bestätigte die Echtheit des Schreibens. Eine knappe Stunde später traf der Konvoi weißer Mercedes-Limousinen, der deutsche Botschafter, der Kanzler der Botschaft und ihre Begleitmannschaft vor dem Westbeiruter Hotel „Beau-Rivage“ ein. Ein in der Beiruter Geiselgeschichte wohlbekannter Ort, an dem sich außer einer unübersehbaren Anzahl syrischer Geheimdienstler in Zivil und Miliz-Uniformen auch mehrere Dutzend Journalisten seit dem frühen Morgen versammelt hatten. Umgehend kam es zu Handgemengen zwischen den Presseleuten und den syrischen Geheimdienstlern, die wegen ihrer wenig zimperlichen Umgangsweise mit Journalisten allemal besonderen Ruf genießen. „Schaltet hier einer die Scheinwerfer ein, dann schlag ich dem den Schädel ein“, brüllte einer der blutjungen Geheimdienstler über den Platz

-kein Zweifel, die Lage war ernst. Fortsetzung auf Seite 2

Mit einer Sondermaschine der Luftwaffe wurde am Dienstag der Höchst-Manager Rudolf Cordes aus Damaskus abgeholt und nach Deutschland zurückgeflogen. In der Nacht zuvor war Cordes nach 20 Monaten als letzter von drei bundesdeutschen Geiseln in Beirut von den „Mujahedin für die Freiheit“ freigelassen worden. Außenminister Genscher bestätigte gestern, daß er bereits am 15. August von der Freilassung Cordes vom stellvertretenden iranischen Außenminister unterrichtet worden war. Seit dem 24. 8. wußte Genscher das Datum der Freilassung. Das „bestgehütetste Geheimnis in Bonn“, wie er selbst sagte. Genscher dankte der iranischen Regierung und Syrien ausdrücklich für die Unterstützung bei den Bemühungen um die Freilassung von Cordes, eine Lösegeld sei nicht bezahlt worden, betonte der Minister. Zum Verlauf der letzten Stunden der Freilassung von Cordes der Bericht unserer Korrespondentin:

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Wenige Sekunden später, der deutsche Botschafter war mit dem schon üblichen „kein Kommentar“ im Fahrstuhl verschwunden, schallte laut klatschend eine Ohrfeige über den Vorplatz. Ein Reporter taumelte die Stufen hinab, einen Moment lang beherrschte Schweigen die Versammlung, endlich unterbrochen vom Klick-Klack der entsicherten Schußwaffen. Keine fünf Minuten später hatte das Schauspiel vor dem Hotel „Beau -Rivage“ ein Ende gefunden. Der deutsche Botschafter wurde von syrischen Mannschaften zum Sitz des militärischen Geheimdienstes geleitet, nur knappe 200 Meter vom „Beau -Rivage“ entfernt und damit außer Reichweite der Presse geschafft. Auch der iranische Botschafter traf bald darauf im Hauptquartier ein, die letzten Forderungen der Geiselnehmer waren erfüllt.

Cordes indes traf niemals am „Beau-Rivage“ ein. Wie und wann genau schließlich seine Freilassung erfolgte, wird Geheimnis bleiben, solange er es nicht selbst erzählt. Der libanesische Innenminister Abdallah Racay und seine Frau Sonia, Tochter des pro-syrischen Präsidentschaftskandidaten Franghie, konnten den Deutschen gegen 23 Uhr in ihrer Westbeiruter Wohnung empfangen und mit einem ersten Imbiß versorgen.

Auch der deutsche Botschafter erfuhr nur aus den Berichten der Racys, daß es Cordes nach immerhin 20 Monaten Geiselhaft erstaunlich gut geht, er frisch geduscht und neu eingekleidet und um einige wenige Kilo leichter glücklich auf ein Wiedersehen mit seiner Frau und den zwei Kindern wartet.

Zurück bleiben noch weitere dreizehn ausländische Geiseln, und eine Menge Fragen: die wichtigste, der Freilassung Rudolf Cordes folgend: Was ist der Gegenwert? Von welchen Garantien konnten die „Mujahedin für die Freiheit“ in ihrem zweiten Statement vom Montag sprechen, die ihnen angeblich von Teheran und Syrien zugesagt wurden, eine Lösung bezüglich der Hamadi-Brüder zu finden.