Der gute Amerikaner

■ Barry Levinsons „Good Morning, Vietnam“

Wenn es um Vietnam geht, kennen die USA keine Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler, nur noch Amerikaner. Es ist ein Jammer um Barry Levinson. Der ehemalige Rundfunkmann kann erleuchtete Dialoge schreiben: alle auf einmal, jeder über was anderes, vier Milliarden Monologe, die sich manchmal für einen kurzen Moment überschneiden, so wird geredet, und so reden die Figuren in Barry Levinsons Filmen.

Wahllos über Bergmann und Bonanza, Ich glaube, diese Serie ist nicht realistisch, vielleicht bin ich zu kritisch, aber dieser fünfzigjährige Vater und seine drei siebenundvierzigjährigen Söhne, und nie reden sie über Sex, vier Männer auf der Ponderosa, und nicht einmal sagt Hoss, Mann, Little Joe, heute Morgen hatte ich vielleicht einen Harten... , undsoweiter, in einem fort.

Good Morning, Vietnam, Levinsons fünfter Film, scheitert an seinem Anspruch. Er erzählt die Geschichte eines Rundfunk-DJs, der 1965 in Saigon mit losem Maul die GIs begeistert und die vorgesetzten Offiziere verzweifeln läßt. Ein Autoritätsbrecher, respektlos, schlagfertig, redegewandt, einer, der die militärische Ordnung der verdienten Lächerlichkeit überantwortet und somit auch ein geeignetes Ventil liefert für den angestauten Unmut der unteren Ränge, schwer zu ertragen, aber äußerst nützlich.

Der Mann, der sich die Welt mit flotten Sprüchen vom Leibe hält, muß nach bewährtem Muster zur Identifikationsfigur gedrechselt werden; daß er Offiziere, Institutionen, Nixon usw. blamiert und bloßstellt, macht ihn zum Grundsympathen, seine laissez-faire-Attitüde ist prima, den Röcken steigt er auch hinterher, ein guter Kamerad mit Herz für die Schwächeren ist er ebenfalls, soweit alles klar und klasse, man weiß, auf welcher Seite man zu stehen hat.

Der Sprechbläser aber wird alsbald mit dem amerikanischen Engagement in Vietnam stärker konfontiert als allgemein erhofft; er wird Zeuge eines Bombenattentats, das zwei GIs nicht nur aus Vietnam entfernt. Der Tod macht alle pathetisch; es ist überhaupt nicht einzusehen, warum alle Welt den Verstand, soweit vorhanden, darüber verlieren muß, daß ein paar Figuren von der Bildfläche abtreten, siehe Buback, Schleyer, Barschel, Ramstein usw. (Der Autor scheint nicht zu wissen, was er schreibt, sonst hätte er Holger Meins, Gudrun Ensslin, Andreas Baader in seiner Liste nicht übergehen können (d.K.)), aber das Muster greift wieder und wieder, ans Herz, respektive an die Tränensäcke.

Es gibt nichts Uninteressanteres (Wieder meint er nicht, was er schreibt. Ganz sicher gibt es auch für den Autor Uninteressanteres) als die amerikanische Perspektive des Vietnamkriegs, all die Schicksale, Psychologien, sie geben immer nur das Falsche wieder, die Täter sind die eigentlichen Opfer. Dreckige Charlies, ihr tragt die Schuld an Amerikas Leid und Trauma. Es ist belanglos, was irgendein Amerikaner subjektiv in Vietnam erlebt, durchlitten usw. hat, es zählt, was objektiv getan wurde. Völkermord heißt das, Imperialismus, und wenn es auch nicht mehr opportun ist, das zu sagen, so bleibt es doch wahr. (Welche Imperialismustheorie darf ich mir denn als die wahre aussuchen?)

Barry Levinson hat die Möglichkeit vertan, eine sarkastische Anti-Militär-Komödie zu drehen, irgendwo in den USA angesiedelt, mit feurigem Tempo, geschliffenen Dialogen und komischen Darstellern. Die finanziellen und künstlerischen Möglichkeiten dazu hatte er, aber Levinson, rückhaltlos sentimental, hat sein Talent an die Große Nationale Sache verschwendet, nur ein weiteres US-Hirn, das in Sachen Vietnam nichts kapiert hat. Und so werden wieder die Werte des humanistischen Gymnasiums verteidigt, ja, es gab und gibt die guten Amerikaner, seht her, wir haben es doch nicht gewollt, es tut uns leid, aber ihr müßt doch auch unsere Seite verstehen. Gipfel des Entzückens: ein vietnamesischer Freund des Radiomannes entpuppt sich als Vietcong. Wie kann er es wagen! Diese Enttäuschung. Und dann muß er sich auch noch, tränenumflort das schlitze Aug‘, beim Helden dafür entschuldigen, Du kannst nicht unser Freund sein, die Amerikaner sind unsere Feinde, buhuuuh... anstatt ihn einfach abzuknallen.

wiglaf droste

Good Morning, Vietnam, USA 1988, Regie Barry Levinson, mit Robin Williams, Forrest Whitaker, Richard Portnow.