Gute Nacht, Seoul

Eine Olympiabilanz aus bundesdeutscher Sicht  ■  FLIPS & FLOPS

Nun sind sie also vorbei, die 24.Olympischen Sommerspiele in Südkorea, und die Ausbeute des bundesdeutschen Teams war medaillenmäßig mäßig, um nicht zu sagen, mal wieder unter aller Sau. Während unsere Brüder und Schwestern aus der DDR sämtliche Buntmetall-Spiegel sprengten, fielen unsere Athleten sogar hinter Länder wie Mauretanien oder Burkina Faso zurück, brachten nur mit Tongaein par zustande. Weder Fecht-Guru Emil Beck („Wir schaffen 36 Medaillen“) noch ein gewisser Cho Tae-Jun erwiesen sich als fähige Propheten. „Steffi Graf ist ein Baum im Frühling, der Früchte tragen wird“, hatte der blinde Seher Cho geunkt, dabei aber wohl zu tief in die Glaskugel geguckt. Als gelernter Wahrsager hätte er eigentlich wissen müssen, daß die Grand-Slam-Siegerin schon im Viertelfinale wegen „Unsportlichkeit“ disqualifiziert werden würde, weil ihre südkoreanischen Leibwächter im Übereifer ihre Gegnerin Natalia Zwerewa (UdSSR) mit einem Gummiknüppel zu Boden streckten, als dieser per Netzroller ein Punkt gelang, während die umringte Steffi gerade Autogramme gab.

Dem Harald Schmid hatte Cho Großes geweissagt. „Wie ein Fisch“, werde er sein, „der auf Wasser trifft“, und als Schmid im Finale bei strömendem Regen über die achte Hürde stolperte und in einer Pfütze liegend seine Olympiahoffnungen begrub, konnte man dem Mann aus dem Wahrsager-Viertel Mia-Dong einen gewissen Sinn für grimmigen Humor nicht absprechen.

Pech hatten andere Olympiahoffnungen. Während Matt Biondi, die schwimmende Bockwurst aus den USA, Medaille für Medaille einheimste, schmachtete Michael Groß die meiste Zeit in einem koreanischen Kerker, weil er sich bei einer Routinekontrolle der Polizei geweigert hatte, mehr als drei Fragen zu beantworten. Paul Schockemöhle mußte hilflos mitansehen, wie die Einwohner des Slums Tohwa-Dong sein Roß „Deister“, das sie für einen großen Hund hielten, zu einer schmackhaften Suppe verarbeiteten, und dem Gewichtheber Nerlinger pinkelte ein bis unter die Ohren gedopter koreanischer Funktionär ins Kontrollröhrchen, um einem Landsmann zum Sieg zu verhelfen.

Erinnern wir uns noch einmal, wie Zehnkämpfer Jürgen Hinsgen, kraftvoll verkrampft wie gewohnt, nicht wie 1984 am Stab abrutschte, sondern diesmal daran klebenblieb (und wegen Zeitüberschreitung disqualifiziert wurde, bevor ihn D.Thompson - „Fair geht vor“ - hoch oben abkratzte). Oder Turmspringer Albin Killat, der tragischerweise bis heute nicht mehr aufgetaucht ist. Marathonmann Steffny scherte sich, sehr löblich, erst gar nicht um das Medaillenspielchen, sondern bog kurz hinter Pusan links ab und will - höher, schneller, vor allem weiter - gleich bis Freiburg durchlaufen. Gegen Weihnachten, so unsere Informationen, ist dort mit seinem Eintreffen zu rechnen. P. -M. Kolbe, der Ruderer, hatte seinen Ewigrivalen Karppinen schon besiegt, da sprang ihm kurz vor der Ziellinie einer der koreanischen Algenkillerkarpfen ins Bötchen und brachte es zum Kentern. Petri Heil!

Zumindest die Schützen retteten die nationale Ehre. Im Kleinkaliberkeilerknallen gab's Bronze, ebenso wie bei den stehend-freiliegenden MG-Salven, nachdem Old Shatterhändin Silvia Sperber gleich am ersten Sonntag mit dem dämlichen Luftgewehr gesilbert hatte.

Aber, das soll uns trösten, auch die reichlichen Medaillenfreuden anderländriger Athleten waren ja nur von kurzer Dauer: Schließlich bekamen nur die wenigsten ihr Metall bei der Ausreise durch das piepsende Konzert der Zoll -Detektoren hindurchgeschleust.

Bernd Müllender/Matti Lieske.