: C-Waffen: Kritik am Bonner Kniefall
Westliche Diplomaten rügen Bonns Interpretationskünste: Äußerung des US-Abrüstungsbotschafters Kampelman, ein C-Waffen-Verbot sei „nicht machbar, weil nicht überprüfbar“, war keine Privatäußerung ■ Aus Genf Andreas Zumach
Ein weltweites überprüfbares Chemiewaffenverbot, von US -Präsident Reagan 1984 zum verbindlichen Ziel seiner Administration erklärt, wird es bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht mehr geben. Gestern vertagte sich in Genf die UNO-Abrüstungskonferenz, in der seit 17 Jahren über ein Verbot verhandelt wird, auf Februar 1989.
Als „unglaubwürdig“ und „Kniefall vor den USA“ bezeichneten unterdessen westliche Diplomaten eine Behauptung des Bonner Auswärtigen Amtes. Dort hatte man verlauten lassen, die Feststellung des US-Abrüstungsbotschafters Max Kampelman, ein C-Waffen-Verbot sei „nicht machbar, weil nicht überprüfbar“, sei eine „Privatäußerung“. Ein westlicher Diplomat erklärte: „Die Taktiererei des Herrn Genscher vernebelt die tatsächlichen Absichten der Vereinigten Staaten und leistet ihrer Blockadepolitik Vorschub.“
Die von Kampelman auf einer offiziellen vertraulichen Sitzung der zehn westlichen Abrüstungsbotschafter am 30.August getroffene Feststellung war durch einen Bericht der taz am 13.9. bekanntgeworden. Bonns Botschafter von Stülpnagel sowie das Auswärtige Amt bestätigten zwar die Äußerungen, stuften sie jedoch als „privat“ ein.
Der ebenfalls anwesende Direktor der Washingtoner Abrüstungsbehörde, Burns, sowie der Delegationsleiter bei den Chemiewaffenverhandlungen, Friedersdorf, hätten sich Kampelmans Äußerung „nicht angeschlossen“. Dieser Bonner Interpretation widersprechen westliche Diplomaten: „Sie hätten Kampelman auf dieser offiziellen Sitzung sofort korrigieren müssen, wenn dessen Äußerung tatsächlich nur privat gewesen wäre und nicht die Haltung der Reagan -Administration widerspiegelte.“ Über die „wohlinszenierte Brüskierung durch Washington“ hätten sich zunächst - mit Ausnahme des französischen - „sämtliche Botschafter, auch der bundesdeutsche,“ sehr empört gezeigt.
Die Diplomaten verweisen auf ähnliche, angeblich private Äußerungen US-amerikanischer Politiker und Militärs seit Beginn der US-Binärwaffenproduktion im Dezember 1987, die im Widerspruch zu der auch von Bonn immer als „einzig relevanten offiziellen Washingtoner Linie“ gestanden hätten. So hätte sich auch Reagans möglicher Nachfolger, Vizepräsident Bush, am 5.Januar lediglich für eine 50prozentige Reduzierung statt eines totalen Verbots der Chemiewaffen ausgesprochen. Die Bonner Strategie, all diese Äußerungen mit Verweis auf „angebliche Zusagen“ Reagans herunterzuspielen in der Hoffnung, die USA so zu einer konstruktiveren Haltung bewegen zu können, sei „endgültig gescheitert“.
US-Delegationsleiter Friedersdorf räumte inzwischen ein, daß es „einige Rückschritte“ bei den Chemiewaffenverhandlungen gegegeben hätte. Mit der weiteren Verbreitung und der Anwendung von Chemiewaffen werde es immer schwieriger, das Genfer Verhandlungsziel zu erreichen. Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI bezifferte die Zahl der Chemiewaffenstaaten auf 37 - wobei offenblieb, ob damit Chemiewaffenbesitz, die Fähigkeit zu ihrer Herstellung oder die Produktion hochgiftiger, theoretisch militärisch verwendbarer chemischer Stoffe gemeint ist.
Genfer Beobachter wie auch das Mitglied der bundesdeutschen Delegation, Krause, sehen jedoch die Hauptursachen für den Verhandlungsstillstand seit Dezember 1987 in der Blockadepolitik der USA und Frankreichs.
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