Männer!-betr.: "Europa 1992 - keine Alternative in Sicht", taz vom 14.9.88

Betr.: „Europa 1992 - keine Alternative in Sicht“,

taz vom 14.9.88 S. 8/9

Die taz - ein Männerblatt! Europa - ab in die Männerkiste? Manchmal ist es morgens wirklich besser, nicht zum Frühstück die taz zu lesen oder gar vor dem Einschlafen - da könnte frau vor Wut gleich wieder zur Zigarette greifen.

Bei der Europadebatte der „Grünen und der Linken“, wie die taz-Männerredakteure so nett schreiben, kommen nur Herren zu Wort, die sich mit den Herren Journalisten der taz mal grobschlächtig über ihre Visionen zu Europa unterhalten. Es ist eine unverschämte Arroganz zu behaupten, es gäbe bei den Grünen und in der Linken kaum eine Europadebatte oder keine, die Alternativen vorzuweisen hätte. Will mann die Frauendebatte und die feministischen Aktivitäten zur Selbständigkeit Europas gegenüber „dem Stier“ aus „den Grünen und der Linken“ ausgrenzen und dann irgendwann in die Frauenecke schieben?

Zum einen sind die Grünen in gewissem Sinne im Zuge der Europadebatte 1979 als bundesweite Partei entstanden, wo es zur Kooperation von Regionen, Kooperativen, BürgerInnenrechtsgruppen und einem multi-rassischen und multi-kulturellem Europa, das sich gegenüber den eigenen demokratischen Traditionen und gegenüber den „Interessen des Südens“ öffnete, eine Menge Vorstellungen und Aktivitäten gab.

Zum anderen kann mit solcher Arroganz der tazler die Arbeit von Frauen wie Brigitte Heinrich und Dorothee Piemont, Luciana Castellina u.a. im Europaparlament wohl nicht übergangen werden. Insbesondere nervt micht bei allem Respekt für meine Freunde wie Sergio und den journalistischen Stil von Herrn Raith, daß hier eine Herrenversammlung vorgeführt wird, während z.B. die Frauenfriedensbewegung sich seit 1979 mit europäischer Vernetzung und ihren eigenen Visionen von Europa engagiert hat, während französische und deutsche Feministinnen wieder den abgebrochenen Dialog aufzunehmen versuchen, um von dem Westeuropa der Banken und Konzerne 1992 nicht vollkommen verarscht und an den Rand gedrängt zu werden. Den offenen Brief, den italienische Feministinnen mit Frauen der Charta 77 im März 1985 für die Frauen Europas veröffentlicht haben, habt ihr in eurer Fixierung auf „führende Männerköpfe in der Geschichte“ auch nicht als einmaliges historisches Dokument wahrgenommen. Bleibt zu hoffen, daß Europa vom Stier herunterspringt.

Eva Quistorp