CELLER LOCH IM IWF

 ■  Unterweltbank-Tagung - Terror muß dabei sein

Den Zeiten fehlt nicht nur der Humus unter den Füßen, ihnen fehlt auch der Humor. Es sollen sich sogar ein paar Leute angewöhnt haben, freitags in dieser taz-Ecke Witze zu suchen. Ausgerechnet hier, wo gar keine gemacht werden, sondern ein braver Humorsoldat gegen geistige Konzentrationslager rackert, mit Stil, Spaten und im Ernst. Daß zum Beispiel die Schrot-Schüsse auf des Kanzlers persönlichen Beauftragten zur Durchführung des Weltbank -Kongresses ein prima Celler Loch im Internationalen Währungsfonds abgeben, ist kein Witz.

Es sei denn, man findet normal, daß der Organisator einer Veranstaltung, die seit Monaten Mittelpunkt einer Anti -Terroir-Kampagne steht, morgens mit Bussi an der Haustür verabschiedet und vom Chauffeur auf dem kürzesten Weg ins Büro gekarrt wird, ohne Begleitschutz, im ungepanzerten Daimler und so, als ob überhaupt nichts wäre. Wenn die Filiale Berlin unter polizeilichem Belagerungszustand liegt und der Bonner Chef vom Ganzen wie Freiwild durch die Gegend fahren kann, müßte das sogar auf der breitseitig offenen Aussitz-Skala der Christenregierung zu einem starken Beben, sprich: dem Rücktritt des Sicherheits-Verantwortlichen führen. Ob es Zimmermann, wie seinem Kollegen Scholz nach der Grillparty Lövenich, gelingt, einen Pappkameraden vorzuschieben, bleibt abzuwarten.

Schon jetzt aber muß gefragt werden, ob denn die berüchtigte deutsche Terror-Wertarbeit neuerdings von allen bösen Geistern verlassen ist und - ein Beitrag zur Humanisierung des Terrorismus? - als Hotzenplotz-Kommando mit Pfefferpistolen auf Jagd geht. Einen platten Reifen und einige Schußspuren „in Kniehöhe“ des Autos führte die „Tagesschau“ vor - die Harmlosigkeit ist selbst Bundesanwalt Rebmann aufgefallen, und er beeilte sich, die Verdachtsmomente von den Erstliga-Vereinen „RAF„und „RZ“ auf stümpernde „Sympathisanten“ zu lenken.

Natürlich passen die Schrotspuren am Autoblech von Stoltenbergs rechter Hand wunderbar ins Programm: Ein bißchen Terror, der keinem wehtut, der aber „beweist“, daß die Warnungen davor berechtigt waren, daß Berlin zu Recht von paramilitärischen Truppen belagert ist, daß tatsächlich ein Staatsfeind existiert, der mühelos in die innersten Bonner Organe eindringen kann, daß man deshalb präservativ gar nicht genug Kontrolle und Überwachung, haben kann und dringend neue Sicherheitsgesetze braucht...

Die Moral von der Geschicht: Nach mehr als zehn Jahren Installationszeit macht es die „Innere Sicherheit“ heutzutage möglich , daß jeder anarchistische Oberförster exponierte Regierungs-Beauftragte ausbaldowern, unter Schrotfeuer nehmen und spurlos verschwinden kann. Herrliche Zeiten für Terroristen, so herrlich, daß sie nur erfunden sein können.

Mathias Bröckers