„Abwertung durchdrücken - eine persönliche Herausforderung“

■ Der IWF-Aussteiger Budhoo erläutert in einem taz-Interview die Motivation seiner früheren Kollegen / Beratungsfirma für Drittweltregierungen geplant

taz: Sie führten in Ihrem Brief an den Direktor des Internationalen Währungsfonds, in dem sie Ihren Abschied aus dieser Institution begründeten auch gefälschte Statistiken an, mit denen der Fonds mit aller Gewalt die Regierung von Trinidad und Tobago zu einer Abwertung zwingen wollte. Welche Motivation treibt die Fonds-Mitarbeiter zu solchen Schritten?

Budhoo: Die Arbeit der Experten des Fonds wird von einer Art „Pax Fleischtöpfe“ geleitet. Die Vergütungen, der Lohn, die Steuerfreiheiten - all das ist sehr wichtig für die Mitarbeiter. Diese Position will der Angestellte sichern und ausbauen. Dafür muß er sich den Dogmen der Institution unterwerfen, die sich in einem schmalen Weg bündeln. Er muß mitspielen.

Wenn Sie als Experte in ein Land gehen, und eigene ökonomische Überlegungen anstellen wollen, unterwerfen Sie sich letzten Endes dennoch dem Standpunkt des Chefs der IWF -Delegation, wenn er sagt, es müsse abgewertet werden. Wenn Sie sagen, meiner Meinung nach sollten wir das noch intensiver prüfen, werden Sie als „Troublemaker“ abgestempelt, und das ist nicht dienlich in Sachen „Fleischtopf“. Letzten Endes schreiben Sie in den Vermerk, was der Missionschef will.

Geht es nur um Fleischtöpfe? Nach der Lektüre Ihres Briefes muß man ja fast davon ausgehen, daß es den Leuten Spaß macht, ein Land wie Trinidad und Tobago einfach mit falschen Daten zur Abwertung zu treiben.

Wichtiger sind vielleicht die Entscheidungsstrukturen im Fonds. Eine IWF-Mission kommt ins Land, um einen Report für den Rat der Exekutivdirektoren mit Vorschlägen für die künftige Wirtschaftspolitik des Landes auszuarbeiten. Zum Beispiel Abwertung, Steuerumschichtungen, weniger direkte, mehr indirekte Steuern. Am Ende der Beratungen diskutieren Sie mit der Regierung. Die meint, diese Härten seien gar nicht nötig, es gibt auch Alternativen. Die Mission kehrt heim nach Washington mit ihrem Report, der ihre eigene Lesart und die Meinung der Regierung widergibt. Nach einigen Wochen nehmen die Exekutivdirektoren dazu Stellung. Mit absoluter Sicherheit übernehmen sie die Version der IWF -Experten. Sie haben auch keinerlei technische Expertise, die sie zu anderen Schlüssen kommen ließe.

Ein Jahr vergeht, die nächste Fonds-Mission kommt ins Land. In der Regel finden die Besuche jährlich statt. Bevor die Experten erneut ihre Arbeit aufnehmen, müssen sie einen kleinen Vorbericht schreiben. Der Delegationschef, der in der Regel dieses Papier schreibt, stützt sich in fast allen Fällen auf die Erkenntnisse vom Vorjahr, und so bleibt es bei der offiziellen Meinung des Fonds.

Während meiner zwei Jahre als Fonds-Vertreter in Guayana kamen alle halbe Jahre Leute aus Washington ins Land. Im Streit mit der Regierung, ob Abwertung oder nicht, betrachteten die Fonds-Mitarbeiter es geradezu als „ihre persönliche Herausforderung“, ob sie die Regierung von der offiziellen Fonds-Meinung überzeugen können oder nicht. Ihre Karriere hängt davon ab.

Ihre Vorschläge zur Reformierung des Fonds, setzen sie die Zusammenarbeit mit den privaten Banken eigentlich voraus?

Sollten meine Vorstellungen realisiert werden, sind die Banken in einer Situation, in der für sie die Mitarbeit das Beste sein wird. Aber ihre Chancen für Geschäfte sind dann auch größer, weil die Wachstumschancen in der Dritten Welt auch größer sind. Ich habe mit vielen Banken gesprochen. Sie wollen ihr Geld zurückbekommen, deshalb sind sie auch für Veränderungen.

Haben Sie während ihrer Arbeit versucht, Ihre IWF-Kollegen zu überzeugen?

Ich habe es versucht, auf Mitarbeiterebene. Zum Beispiel habe ich nach einer Reise nach Äquatorial-Guinea, wo ähnliche statistische Manipulatonen wie in Trinidad vorgenonmmen wurden, ein Memorandum an den zuständigen Abteilungsleiter verfaßt, Kopie an den Abteilungsleiter Afrika und den Verwaltungsdirektor des Fonds. Darin erklärte ich diese Machenschaften. Ich bekam natürlich keine Antwort. Ähnliches habe ich in Barbados gemacht, habe den Delegationschef auf die falschen Statistiken hingewiesen. Ich habe mein Bestes versucht, und als ich den Fonds verließ, hatte ich das sichere Gefühl, daß ich dort nichts mehr ausrichten konnte.

Dachten Ihre Kollegen, Sie sind verrückt?

Ich glaube nicht, daß irgendjemand dachte, ich sei verrückt. Eher war da wohl das Gefühl, ich gehörte nicht zu ihnen, hätte eine andere Psychologie, dächte prinzipieller.

Haben sich die Reaktionen geändert, als Sie ausstiegen, mit den Dingen an die Öffentlichkeit gingen?

Die Reaktionen änderten sich in der Tat. Der Fonds wußte zunächst nicht, wie er antworten sollte, so etwas hat es noch nie gegeben. Eine Zeitung in Trinidad zwang den Fonds mit einem Trick zu einer Antwort. Sie schrieben einen Brief an den Fonds und wollten eine Meinung über Herrn Budhoo einholen, ob es stimme, daß er so etwas Schlimmes getan habe, das Vertrauen des Fonds mißbraucht habe. Ihrer Meinung nach hätte er so etwas nie tun dürfen. Sie bekamen die Antwort, die sie haben wollten. Der Fonds bestätigte, daß dies ein Vertrauensmißbrauch war, daß das Verhältnis des Fonds zu einzelnen Ländern nie öffentlich gemacht werden dürfe usw. Dieser Antwortbrief war denn auch so peinlich, daß der Fonds danach überhaupt keine Stellungnahme mehr abgab. Als der BBC nach einem Gespräch mit mir auch den IWF befragen wollte, sagten sie zunächst, ok, selbstverständlich. Als dann aber die Kameramänner angerückt waren, lehnte der Fonds jeden Kontakt ab. Seither heißt es stets nur: Kein Kommentar. Aber das werden sie nicht durchhalten können, dafür werde ich auch sorgen, ich kann noch einiges mehr über den Fonds erzählen, und das will ich auch, bis sie antworten.

Sie haben also nie versucht, Ihre Daten anzuzweifeln, es war immer nur von Ihrem falschen Charakter die Rede.

Exakt. Sie wollten keine Debatte über die Fakten.

Wie lange hat es gedauert, bis Ihr Entschluß gereift ist, den Fonds zu verlassen.

Das kann ich nicht so genau sagen. Als ich die Manipulationen in Trinidad mitbekam, war es für mich endgültig klar.

Hat die Regierung von Trinidad Kontakt zu ihnen aufgenommen? Dort wurde doch inzwischen eine Untersuchungskommission eingesetzt.

Mein Brief war in Trinidad auch in der Presse, aber über meine Gespräche mit den Regierungsvertretern möchte ich jetzt nicht reden, weil Trinidad zur Zeit ein Programm mit dem Fonds vereinbaren will. Das will ich nicht behindern. Ich bin überzeugt davon, daß Trinidad jetzt in einer besseren Position ist als vorher.

Sie wollen jetzt eine Consulting-Firma aufmachen, die Drittweltländer bei ihren Verhandlungen mit dem IWF berät.

Ja, die Multilateral Economic Negotiatons Assistance Group (MENAG), als Non-Profit-Unternehmen. Dafür gibt es einen ungeheuren Bedarf. Es gibt doch heute ein ungeheures Ungleichgewicht bei den Verhandlungen. Der technische und statistische Apparat ist in der Hand des Fonds, und das bedeutet Macht. Da können wir helfen.

Meinen Sie, der Fonds wird Sie künftig als Verhandlungspartner auf der anderen Seite akzeptieren?

Ich denke, sie haben keine Wahl. Wenn ein Land ein Verhandlungsteam bildet, muß der Fonds mit dem Team verhandeln. Ich weiß natürlich nicht, auf welche Weise die Regierungen meine Unterstützung nutzen wollen.

Interwiev: Ulli Kulke/Kurt Zausel