„Frisch, frei, stark und treu“

■ Treffen von Veteranen der Arbeitersportbewegung / Einst anderthalb Millionen Mitglieder / Sportvereine sollten bewaffneten Kampf gegen die Nazis führen

Den Fußballverein „Vorwärts Hastedt“ gibt es seit 1933 nicht mehr, denn als die Nazis auch in Bremen an die Macht kamen, lösten sie alle Arbeiter-Sportvereine auf und zogen ihr Vermögen ein. Doch nach dem Krieg erstand der Verein wieder: Als „Hastedter Turn- und Sportverein“. Der frühere Arbeiterverein hatte sich mit dem bürgerlichen „Männersportverein Hastedt“ zusammengeschlossen. Die Zeit der Sportvereine der Arbeiterbewegung war vorbei. Nur um sich gemeinsam zu erinnern, treffen in dieser Woche in Bremen Veteranen der

Arbeiter-Sportbewegung zusammen. Unter ihnen ist auch der 82jährige Franz Holste. In den 20er Jahren war er Fußballer beim „Vorwärts Hastedt“, nach dem Krieg Vorsitzender des HTSV.

Einst war es „eine Armee von über einer Million“, heute gibt es noch ungefähr 400 „Veteranen des Klassenkampfes“. Fritz Borges, Vorsitzender des „Freundeskreises ehemaliger Arbeitersportler“, blickte gestern vor Bremer JournalistInnen auf die lange Tradition der ehemaligen Arbeitersportvereine zurück.

„Turner, Sänger, Schützen sind der Freiheit Stützen“ lautet ein geflügeltes Wort, das in der Zeit zwischen 1815 und 1848 aufkam. Die Vereine waren einst fortschrittliche Organisationen, die die Einsicht hatten, daß „ohne Gewalt kein Fortschritt erzwungen werden kann.“

Angefangen hatte es mit Turnvater Jahn. Seine Ideale: Junge Männer körperlich ertüchtigen,

damit sie gegen das Napoleonische Joch kämpfen können. Arbeitersportvereine bildeten sich aus dem linken Flügel dieser bürgerlichen Sportbewegung am Ende des 19. Jahrhunderts. Denn mit der Reichsgründung wurden die Bürgerlichen reichstreu, übernahmen die schwarz-weiß-rote Fahne des Kaisers und schlossen Arbeiter aus ihren Reihen aus. Die freien Arbeitersportvereine schlossen sich 1893 in dem Arbeiterturn- und Sportbund zusammen und änderten Jahns Motto „frisch, fromm. fröhlich, frei“ um in „frisch, frei, stark, treu“ und schrieben es in weiß auf ihre roten Fahnen, die „uns noch heute voran wehen“, wie Veteran Fritz Borges gestern stolz betonte.

„Marschieren, daß die Erde dröhnt“ forderte Fritz Wildung, Chef der sozialdemokratischen Sport- und Kulturorganisationen, am Vorabend der faschistischen Machtergreifung. Sozialistischer Wehrsport sollte in den Vereinen

betrieben werden, um das Tausendjährige Reich zu verhindern.

In den 20er Jahren begann der Kampf gegen die kommunistischen Abspaltungsversuche, der 1930 mit der Abspaltung der kommunistischen Vereine und der Gründung des Rot-Sport-Bundes endete.

Im Dritten Reich wurden die Vereine aufgelöst. Nach „12 Jahren Faschismus, die das Arbeiterbewußtsein verschüttet haben“, entschlossen sich die ehemaligen Mitglieder für eine „einheitliche Bewegung“ mit den bürgerlichen Vereinen, da eigene Arbeitersportvereine heute keine Chance hätten, neben den kommerziellen Großveranstaltungen zu existieren.

Roswitha Bünjer

Im Gustav Heinemann Bürgerhaus in Vegesack wird heute die Ausstellung: „Wir wollten für uns sein. - Arbeitersport in Bremen-Nord“ eröffnet. Bis zum 21. Oktober. Geöffnet 8.00 bis 22.00 Uhr.