Es darf (nicht) gebellt werden

■ Vor dem Amtsgericht wurde der Hundebesitzerin Eva G. zur Last gelegt, ihre beiden Schäferhunde nicht so zu halten, daß sie die Öffentlichkeit nicht belästigen.

Ein alter Streitpunkt: Frau Eva G. hatte sich zwei Schäferhunde angeschafft, und pro Tier 2000 Mark für eine Ausbildung bezahlt, weil sie sich, so sagt sie vor Gericht, ständig bedroht fühlte. Ihr gehöre eine Gastwirtschaft im Heimersweg, in der eine Zeitlang tagtäglich eingebrochen wurde.

Auf die Hunde sei sie nun angewiesen, „die brauche ich“.

Nun verstehe sie aber gar nicht, warum ihr das Gericht zur Last legt, sie hätte die beiden Hunde nicht so gehalten, daß sie die Öffentlichkeit nicht belästigen. Die Hunde würden, nachdem sie ausgebildet worden sind, nicht mehr bei Fremden anschlagen, verteidigt sich Frau Eva G., hohe Plastikwände, verstärkt von zwei Reihen Jägerzaun, würden im übrigen verhindern, daß sich Vorbeigehende durch die Hunde belästigt fühlen könnten. Deshalb habe sie auch gegen den Bußgeldbescheid von DM 100 Einspruch gelegt.

Die Nachbarn von Frau G. sehen das anders: Unzumutbares Gebelle zwischen 6 Uhr morgens und 22.30 Uhr abends, ein unerträglicher Dauertatbestand, urteilt der Richter. Der Staatsanwalt hatte selbst mal einen Bernadiner-Hund, und weiß deshalb, daß Bellen eine naturgegebene, ja eine biologische Tatsache bei Hun

den ist, die von Hundeliebhabern toleriert, von Hundegegnern dagegen nicht geschätzt wird. Das erzählt er aber erst, als der Verteidiger mit seiner Mandantin den Gerichtsraum für eine Beratung verlassen haben. Aber das darf man dem Richter schon mal sagen.

Die Nachbarn von Frau G. hörten sich das Gebelle so lange an, bis die beiden Schäferhunde in einem unbeaufsichtigten Moment das Grundstück verließen und eine Frau mit ihrem Kind so bedrohten, daß die Frau laut um Hilfe rufen mußte.

Ein Zivilprozeß wurde eingeleitet, der Zivilrichter schritt zur Vorortbegehung. Auch er stellte eindeutig lautes Bellen und lautes Kratzen an den Plastikwänden fest, als er sich dem abgezäuntem Grundstück näherte. Der Zivilprozeß ist noch nicht ausgestanden, und schon findet sich die Hundebesitzerin in einem Bußgeldverfahren wieder: „Sie haben nichts dazu getan, den Dauerzu

stand aufzuheben, obwohl der Richter damals beschieden hat, daß die Hunde das Haus nicht mehr zu verlassen haben“. Die Nachbarn geben nicht so schnell klein bei.

Der Rechtsanwalt scheint nach dieser richterlichen Argumentation verunsichert, bittet den Richter, den Prozeß so lange zu verschieben, bis das Ergebnis des Zivilgerichtsverfahrens vorliegt. Der Richter rät von dieser Lösung ab, redet der Angeklagten lieber ins Gewissen: „Stellen Sie sich vor, fünfzig bis sechzig Zeugen würden hier aufmarschieren und ihr Urteil über das Bellen abgeben. Dann würden, im Falle eines negativen Ausganges, sehr hohe Kosten auf Sie zukommen, überlegen Sie sich das nochmal“.

Eva G. überlegte es sich und sah, aus ökonomischen Gründen, aber ohne Schuldzuspruch, von einem Einspruch gegen die ihr auferlegten 100 Mark ab. Es darf wieder gebellt werden.

gin