Offener Antwortbrief

■ an das Komitee

Leserbriefe redaktionell zu beantworten, ist eigentlich nicht der Stil der taz. Aber hier muß es sein, weil ich als Helfer der türkischen Behörden gegen die inhaftierte Familie Güler angeprangert werde. Mein Artikel fußt auf den Informationen, die Ihr auf Eurer Pressekonferenz am vergangenen Freitag gegeben habt. Demnach wurden Ahmet Güler und seine Eltern am Dienstag verhaftet. Am darauffolgenden Donnerstag, also zwei Tage später, ließ die Polizei von Kirshehir über die Zeitung „Miliyet“ mitteilen, daß sein Auto bei der Flucht der 18 Todeskandidaten benutzt worden sei. Wie ich von Euch gehört habe, hat die Polizei Ahmets Autokennzeichen noch mindestens ein weiteres Mal in der Presse veröffentlichen lassen. Es liegt also auf der Hand, daß die Polizei den Vorwurf gegen die Gülers erhebt, sie hätten bei der Flucht der 18 Todeskandidaten aus dem Gefängnis geholfen. Natürlich ist das eine Schlußfolgerung; es gibt ja keine zitierfähigen Angaben der türkischen Behörden, die ja sogar bis heute nicht zugeben, daß sie die Gülers überhaupt verhaftet haben. Gerade dieser Vorwurf der Polizei macht deutlich, daß die Gülers in ernster Gefahr sind und die türkische Polizei bei ihren Massenverhaftungen seit dem Ausbruch von Kirshehir die Verhafteten keineswegs nach der Feststellung der Personalien und ein paar Verhören wieder freilassen will. Ohne diesen Hintergrund der Verhaftungswelle, und damit auch der Verhaftung der Gülers, wird die ganze Geschichte nicht verständlich. Solidarität kann man in diesem Fall umso schwerer erreichen, je mehr Informationen man vor der Öffentlichkeit zurückhält.

Im einzelnen will ich zu Eurem Brief nur zwei Punkte anmerken: „Absprachen“ hat es bei der Pressekonferenz keine gegeben. Grundsätzlich ist alles verwendbar, was auf Pressekonferenzen, also öffentlich, gesagt wird. Das ist der Sinn solcher Veranstaltungen. Ferner schreibt Ihr, ich hätte vermutet, „die Familie Güler hätte ihren Urlaub dazu benutzt, unter dem Gefängnis einen Tunnel zu graben“. Im ersten Satz meines Kommentars vermute ich genau das Gegenteil. Aber, wer auch immer in der türkischen Scheindemokratie Todeskandidaten befreit, verdient allergrößte Hochachtung. So habe ich weiterargumentiert, damit sich hier niemand aus der Solidarität stehlen soll mit dem Hinweis, daß den Gefangenen ja vorgeworfen werde, sie hätten türkische Gesetze gebrochen.

Michael Weisfeld