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500 Seiten Alternativ-Szene

■ Umfangreiche Forschungsarbeit über Bremens 400 selbstverwaltete und alternative Projekte / Gegen den Mythos der Selbstausbeutung / „Vom Ausstieg zum Umbau“

Über 40 Mio Mark Umsatz machten 1987 die rund 400 Bremer selbstverwalteten Betriebe und alternativen Projekte. Über 2.500 Personen waren dort mit mehr als 20 Wochenstunden beschäftigt, zahlreiche weitere arbeiteten ehren- oder nebenamtlich mit. „Vom Ausstieg zum Umbau, Arbeit und Leistung in lokalen Beschäftigungsinitiativen in der Region Bremen“, lautet der Titel einer über 500 Seiten schweren Forschungsarbeit, für die in den vergangenen zwei Jahren 209 Betriebe aus dieser Bremer „Alternativ-Szene“ befragt wurden.

Von der personellen Zusammensetzung über die Finanzierung bis zu internen Problemen der selbstverwalteten Projekte ist in der Untersuchung alles zu erfahren, was man schon immer vermutete, aber nie genau wußte. Drei MitarbeiterInnen des Netzwerks, nach Bremer Art auf ABM-Basis an der Hochschule für öffentliche Verwaltung beschäftigt, haben die Interviews

geführt, das Zahlenmaterial zusammengetragen und interpretiert.

Mit 400 Projekten auf 500.000 Einwohner ist Bremen ein bundesweites Mekka der Alternativ-Ökonomie, wie ein Blick in Vergleichsuntersuchungen aus Nordrhein-Westfalen (ca. 800 Projekte), Berlin (261), Hamburg (124) und Nürnberg (gut 200) zeigt. Immerhin die Hälfte der befragten Bremer Projekte gehört zum gewerblichen Bereich, der nicht durch ABM-Stellen oder andere staatliche Subventionen getragen wird. Doch während über 80% der Projekte den Sinn ihrer Tätigkeit vor allem ideell begründeten, zeigt die Frage nach der früheren Beschäftigung der Projektmitglieder einen anderen Aspekt der Alternativ-Ökonomie: Über 80% waren vor dem Einstieg ins Projekt erwerbslos, nur ein Drittel der Befragten bezeichnete sich als „Aussteiger“.

Zwei Drittel der Projekt-Mit arbeiterInnen sind zwischen 26

und 40 Jahre alt. Nachwuchs gibt es nur in Ausbildungsprojekten und unter den Erzieherinnen in selbstverwalteten Kinderläden. Frauen sind in den Projekten zwar etwas mehr als zur Hälfte vertreten, doch herrscht im Alternativ-Bereich die gleiche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wie in der „großen“ Ökonomie: In gewerblichen Projekten gibt es doppelt so viele Männer wie Frauen, im Bereich der Sozial- und Kinderprojekte ist es umgekehrt.

Den Mythos der alternativen Selbstausbeutung versucht die Studie mit Zahlen über die durchschnittliche Wochenarbeitszeit (ca. 36 Stunden) und den durchschnittlichen Netto-Verdienst von über 1.500 Mark zu widerlegen. Zudem gibt es in vielen Projekten sehr gute Möglichkeiten für unbezahlten Urlaub und flexible Arbeitszeiten.

Bei den projektinternen Konflikten standen schon an zweiter Stelle nach der existentiellen Absicherung die gruppendynami

schen Probleme. Über die Hälfte der Projekte gab an, daran zu knacken. Ein Konfliktfeld ist dabei auch die Frage, wem das Betriebskapital des Projektes gehört. In einem Viertel der Projekte bleibt es im Privatbesitz und wird beim Ausscheiden mitgenommen.

Viele Projekte beschreiben zudem einen internen Strukturwandel. Während zu Beginn häufig nach dem Prinzip „alle machen alles“ gearbeitet wurde, hat sich über die Zeit eine professionelle Arbeitsteilung herausgebildet. Von „normalen“ Betrieben unterscheiden sich die „alternativen“ nun vor allem durch abgeschwächte Hierarchien, die zudem häufig informell geregelt werden.

Der Forschungsbericht „Vom Ausstieg zum Umbau“ ist für 10 Mark (zuzüglich 5 Mark bei Versand) beim Netzwerk Bremen/Nordniedersachsen, Fehrfeld 60, 2800 Bremen 1, zu beziehen.

Dirk Asendorpf

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