Japan gibt den IWF-Ton an

■ Auf der Berliner Jahrestagung beschränkten sich die USA auf hinhaltenden Widerstand gegen das Land

Die Ereignisse von drei Tagen Plenarsitzung im Berliner ICC waren so mager wie der Saal bei den Reden leer. Meist drückten nur ein paar Dutzend der 5.000 Delegierten die Bänke. Zum Thema Schuldenkrise gab es kaum Neues. Lediglich die Scharmützel zwischen devisenprallen Japanern, die einen neuen IWF-Kredittopf schaffen wollen, und knausernden US -Amerikanern (die selbst der Welt größter Schuldner sind) konnten den Wirtschaftsjournalisten eine kleine Adrenalinspritze verpassen.

Von der Auswärtsstärke der USA ist gegenwärtig wenig zu spüren. Ihre Basketballer unterliegen in Seoul ausgerechnet dem Erzfeind Sowjetunion, und die Finanzmannschaft verliert in Berlin haushoch gegen die sich zu starken Konkurrenten mausernden Japaner. Einziger Hoffnungsschimmer: Einer der beiden Schiedsrichter, Weltbankchef Barber Conable, hat sich tatsächlich als Banker für die USA erwiesen, während IWF -Chef Camdessus offenbar die Nummer eins der Weltrangliste stark zu benachteiligen will. Von irgendwann einmal angekündigten Benefiz-Spielen zugunsten der Dritten (Welt-) Liga ist sowieso kaum noch die Rede, ihr Aufstieg wird von den Statuten kategorisch verhindert.

Aus dem letzten Auswärtsspiel der USA 1985 in Seoul ging ihr damaliger Finanzminister Baker noch als strahlender Sieger hervor. Der nach ihm benannte Plan („fresh money for the third world“) bestimmte jahrelang die Schlagzeilen, auch wenn er sich als Flop erwiesen hat. In Berlin nun war von den US-Amerikanern mit ihrem erst vor einer Woche im Amt bestätigten Finanzminister Nicholas Brady nichts zu hören - der zudem nicht einmal weiß, ob er die Präsidentschaftswahlen im November übersteht. Vorschläge, die Geld kosten, kamen für die USA vor den Wahlen ohnehin nicht in Frage.

Um so mehr schoben sich die im Geld schwimmenden Japaner nach vorn.

Die Regierung des Landes mit den gigantischen Außenhandelsüberschüssen stieß - gut getimed - in dieses Vakuum und präsentierte eine Konkretisierung ihres 1987 angekündigten Planes: 30 Milliarden Dollar aus den Überschüssen sollen an die Drittweltstaaten zurückgeschleust werden. Nunmehr ließen sie die Katze (noch nicht das Geld) aus dem Sack: Mit einem Großteil der Milliarden, vermittelt über die japanische „Exim„-Außenhandelsbank, sollen jene Länder zusätzlich unterstützt werden, die sich auf ein IWF -Anpassungsprogramm eingelassen haben. Schon daß die Japaner hier eine Art Neben-Fonds aufbauen, dürfte Washington wenig schmecken.

IWF plus Japan gegen USA

Großen Widerstand meldete die US-Delegation laut Agenturberichten jedoch bei den übrigen Plänen an, die Tokio mit dem IWF hegt. Danach schlug Japans Notenbankchef Sumita vor, die verschuldeten Länder sollten ihre Kredite zur Hälfte in langfristige Anleihen umwandeln können und den Rest zu günstigeren Konditionen umschulden. Für die Zins und Tilgungszahlungen beider Teile würde der IWF durch einen eigens eingerichteten Topf bürgen. Während IWF-Chef Michel Camdessus die japanische Initiative begrüßte, paßt Washington die ganze Richtung nicht. Finanzminister Brady brummte in der Plenardebatte, der IWF solle sich „auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren“, und die haben nach seiner Lesart nichts mit den Privatbanken zu tun.

Weder soll nach dem Willen der USA der Fonds für ausstehende Bankkredite bürgen - ob umgewandelt oder nicht -, noch schmeckt ihnen zur Zeit irgendeine Stärkung des Fonds, ob durch japanischen Zusatzfonds oder auch durch Kapitalerhöhung und eine damit verbundene Verschiebung der Stimmrechte. Wer zusätzlich einzahlt, bekommt mehr Stimmen, und das liefe schließlich auf eine Stärkung des japanischen und eine Schwächung des US-amerikanischen Anteils (wie auch des bundesrepublikanischen) hinaus. Nachdem die Japaner mit ihrem gigantischen Außenhandelsvolumen und ihren Einzahlungen bei der Weltbank das zweitgrößte Stimmenpaket (6,7 Prozent) ergattert haben, wollen sie jetzt auch im IWF voranmarschieren, solange ihnen der Yen noch locker in der Tasche sitzt. Bislang fühlen sie sich mit 4,7 Prozent unter Wert auf dem fünften Platz im IWF taxiert.

Aber nicht nur durch höhere Quotenanteile, auch mit neuen Plänen will man in Tokio die Initiative an sich reißen. Und wenn auch noch die Schaffung zusätzlicher Sonderziehungsrechte durchkommt, des IWF-Kunstgeldes also (und nur noch die Amerikaner sperren sich dagegen), dann hat auch der US-Dollar in seiner relativen Bedeutung als Weltgeld seinen Dämpfer weg.

Die genannten Handicaps verboten Brady in Berlin jeden Konter und gestatteten ihm lediglich defensiv-dumpfe Drohungen: „Wir waren ein starker Unterstützer des IWF und wollen das auch bleiben.“

Mannschaftswertung

Wie gut, daß die Administration daheim in Washington ihrer Delegation in Berlin wenigstens einen Fernerfolg bescherte. In einem bislang beispiellosen Coup brachte die Weltbank ihr neuestes Argentinienpaket unter Dach und Fach. Sie sagte der Regierung in Buenos Aires eben mal 1,25 Milliarden Dollar als Anpassungsdarlehen zu, als der IWF noch in harten Verhandlungen mit Argentinien über spezielle Auflagen für die eigene Kreditvergabe steckt. „Japan droht die IWF-Rolle zu übernehmen“, titelte die 'Financial Times‘ - nicht ohne Grund: Während bislang stets die Zusage eines Fonds-Kredits im Zusammenhang mit Auflagen der Startschuß für weitere internationale Geldströme war - auch solche der Weltbank -, spielt nun die Bank selbst die Vorreiterrolle. Nach ihrer Zusage sollen sofort 500 Millionen Dollar von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich nach Buenos Aires fließen. Den Argentiniern, die mit dem IWF über dessen Kreditauflagen pokert, wurde über Nacht ein besseres Blatt zugeschoben.

Im IWF-Sitz in der Washingtoner 19th Street vermutet man als Drahtzieher des Coups, den man sich im Hause der Weltbank schräg gegenüber geleistet hat, die US-Regierung. Auf dem kurzen Dienstweg, so der Verdacht, habe das Finanzministerium Druck auf die Weltbank ausgeübt, der argentinischen Regierung durch eine schnelle Kreditzusage Luft in der prekären wirtschaftlichen Situation zu verschaffen. Die nächsten Präsidentschaftswahlen stehen dort am 28.Mai 1989 an. Der Draht der US-Regierung zum Landsmann Barber Conable auf dem Stuhl des Weltbank-Präsidenten ist offenbar kürzer als der zum IWF-Direktor, dem Franzosen Michel Camdessus.

Conable zeigte sich auf einer Pressekonferenz in Berlin zwar erstaunt über Meldungen zum Streit zwischen IWF und Weltbank. Auch davon, daß US-Delegationskreise über Camdessus verärgert sind, war dabei die Rede. Andererseits bestätigte Conable, daß Camdessus über den Zeitpunkt und das Ausmaß des Weltbank-Abkommens erhebliche „Zweifel“ angemeldet habe.

Diese Scharmützel brachten die Journalisten auf dem Kongreß wenigstens noch ein wenig Abwechslung. Die Langeweile war schließlich mit der offiziellen Ankündigung vorprogrammiert, es werde keinerlei Beschlüsse geben. Mehr als einmal fragten sich denn auch die Medienbeobachter am Kaffeetresen, was man hier eigentlich solle. Sicher war dies auch Grund, weshalb sich viele lieber um die muntereren Gegenveranstaltungen kümmerten.

Als Trost dafür, daß die Japaner der amerikanischen Delegation insgesamt gesehen die Schau gestohlen haben, bleibt der US-Regierung, daß sie doppelt so viele Heim- wie Auswärtsspiele hat. Nur alle drei Jahre verreist der ganze IWF- und Weltbank-Apparat außer Landes. Aber selbst das ist den engsten Kumpanen der USA noch zu viel. Mitten in die Selbstbeweihräucherung von Bundesregierung und Berliner Senat über die perfekt gelungene Währungsshow im Berliner Internationalen Congress Centrum platzte der britische Schatzkanzler ausgerechnet mit der Bemerkung, die Tagung habe gezeigt, daß Währungstagungen außerhalb Washingtons organisatorisch einfach nicht zu bewältigen seien. Da durfte dann auch Bundesfinanzminister Stoltenberg vor der Berliner Presse einmal offen schimpfen: Lawson und die Briten hätten so viele ökonomische Probleme zu Hause. Sie sollten sich lieber darum kümmern. „Und dabei wünschen wir ihnen viel Erfolg“, grinste der Minister.

Ulli Kulke