Schuldig geboren

■ Der 1. Preis des „1. Polit-Theater-Festivals“

Das ausgezeichnete Stück des „1. Festivals Politik im Freien Theater“ ist eigentlich gar kein Theaterstück. Es ist nichts als die szenisch vorgetragenen Interviews, die Peter Sichrovsky in den vergangenen Jahren mit Kindern und Enkeln berühmter und weniger berühmter Nazis geführt hat. Trotzdem sind diese authentischen Texte eine dramatischere Theatervorlage als viele Dramen. Und die SchauspielerInnen des Bonner Jubiläums-Ensembles haben daraus mit ihren Körpern und Stimmen eine Inszenierung gemacht, die drei Abende lang die ZuschauerInnen in ihren Bann zog.

„Uns ist es lieber, wenn zwischen den einzelnen Szenen nicht geklatscht wird. Das zeigt, wie konzentriert das Publikum ist“, sagte einer der Schauspieler in der anschließenden Diskussion. Tatsächlich hatte es vielen in den Händen gekribbelt, „aber ich konnte nicht klatschen, denn mein Applaus hätte auch den dargestellten Positionen gegolten“, erläuterte ein Zuschauer. Und diese Positionen gingen erst einmal unter die Haut und lösten sich erst wieder mit dem großen Schlußapplaus.

Nicht nur die SchauspielerInnen hatten in der Auseinandersetzung mit den von ihnen dargestellten Söhnen, Töchtern und Enkeln der Nazis ihr eigenes Leben als Nachgeborene des Mordsystems neu durchdenken müssen, auch die ZuschauerInnen des Stücks kommen daran nicht vorbei. Jeder von ihnen wird in der Inszenierung des Jubiläums -Ensembles direkt angesprochen - egal ob er sich nun als 68er „Antifaschist“ wortreich aus der Verstrickung lösen wollte, ob er als Verdrängungskünstler nichts mehr davon wissen will oder sich die Leidensmiene des unschuldigen Opfers aufsetzt. „Schuldig geboren - bis ins fünfte Glied“, zitierte ein Zuschauer die Bibel.

Ase