Jo Leinen: „Vom Umwelttiger zum Bettvorleger“

Heftiger Schlagabtausch im saarländischen Landtag / Umweltminister Josef Leinen wegen „Verzicht auf 12 Millionen Mark an Abwasserabgaben bei einem Industriebetrieb“ (CDU) unter Beschuß / SPD-Fraktion greift CDU/FDP-Vorgängerregierung an  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Saarbrücken (taz) - Als „Umwelttiger“ sei er einst gestartet; als „Bettvorleger“ sei er jetzt an der Abwasserfront „gestrandet“. Und selbst noch als „Bettvorleger“ habe er sich von der Industrie als Souvenir in die Aktenmappe stecken lassen. Das jedenfalls behauptete gestern bei der Generaldebatte des saarländischen Landtages zum sogenannten „Abwasserabgabenbetrug“ der CDU-Abgeordnete Mathieu vom saarländischen Umweltminister Jo Leinen (SPD), der einst als „Container-Jo“ und BBU-Vorsitzender Bewegungsgeschichte schrieb.

Die heftige Debatte entzündete sich an einem Mißbilligungsantrag der CDU gegen Leinen, dem die FDP in letzter Minute noch einen Antrag auf „Mißbilligung der Amtsführung“ des Ministers hinzufügte. Der CDU-Abgeordnete Hartmut Mathieu: Die „ökologischen Phrasen“, mit denen Leinen zum Amtsantritt versucht habe, sich als „Hoffnungsträger der Ökologiebewegung“ zu profilieren, hätten die Flüsse des Saarlandes nicht sauberer gemacht. Leinen sei als Umweltminister gescheitert.

Hintergrund der heftigen Auseinandersetzungen im normalerweise eher beschaulichen saarländischen Landtag ist eine Prüfmittteilung des saarländischen Rechnungshofes, in der einerseits der Vollzug des Abgabenabwassergesetzes generell angemahnt und andererseits der softe Umgang des Umweltministeriums mit dem Holzfaserplattenwerk Renitex in Losheim gerügt wird. Auf insgesamt 12 Millionen Mark an Abwasserabgaben habe das Umweltministerium im Fall Renitex verzichtet, meinte CDU-Sprecher Mathieu. Mit diesem Zahlungserlaß sei einer der größten Umweltverschmutzer des Saarlandes von der SPD-Landesregierung auch noch belohnt worden. Mathieu: „Seit 20 Jahren hält die Renitex die Behörden auf Trab. Indem Leinen jetzt ein Bundesgesetz, nämlich das Abwasserabgabengesetz, ignoriert hat, hat er sich erpressen lassen.“ In der Tat wurde mit Renitex ein Vergleich dahingehend geschlossen, daß die Firma ihre Abwasserabgaben - bis auf einen Rest von einer Million Mark

-nicht nachzuzahlen brauche, wenn sie dafür den Bau einer Kläranlage in Angriff nehme. Ihre Zahlungsunwilligkeit, habe Renitex seinerzeit mit generellen finanziellen Schwierigkeiten begründet, argumentierte Leinen. Bei Zahlung der geforderten Millionenbeträge wären die 240 Arbeitsplätze bei Renitex massiv in Gefahr gewesen.

Genau dieses Arbeitsplatzargument brachte der Umweltminister in seiner Stellungnahme vor dem Landtag in die hitzige Debatte ein. Im strukturschwachen Saarland hätten 240 Familien vor dem „Fall in die Armut“ gestanden, wenn die Landesregierung nicht gehandelt hätte. Durch den Vergleich mit Renitex habe man darüberhinaus erreichen können, daß endlich mit dem Kläranlagenbau begonnen werde. Zum Ärger der antragstellenden CDU verschwieg Leinen dabei, daß Renitex ohnehin zum Klärwerksbau verpflichtet war. Nach Schätzungen des FDP-Abgeordneten und früheren Wirtschaftsministers Rehberger beläuft sich der „Verzicht“ auf die Abwasserabgaben gar auf einen Betrag „zwischen 30 und 40 Millionen Mark“.

Im Landtag wird gemunkelt, daß Wirtschaftsminister Hans Kasper bei dem Renitex-Deal seine Finger im Spiel gehabt habe. Immerhin gehört die Firma mit ihren 240 MitarbeiterInnen zum Wahlkreis von Kasper. Landrat im betroffenen Landkreis Merzig-Wadern ist ein CDU-Mann namens Kreselmeyer. Und der hatte kurz nach dem Renitex-Vergleich bei der Landesregierung wegen der Arbeitsplätze um einen Vergleich gebeten.