Wachstum streichen

■ Arbeitslosenzahl fast konstant

Wachstum rauf“ plus „Arbeitslosigkeit runter“ macht „Wirtschaftspolitik gut“. Eine simple Formel für einen simplen Bundeskanzler. Beide Phänomene einzeln ließen sich dabei in der Tat noch gut verkaufen (mal abgesehen davon, daß Bonn an der Arbeitslosenstatistik gefummelt hat). Zählt man hier jedoch eins und eins zusammen, wird das ganze Dilemma des Paradigmas der Wirtschaftspolitik deutlich.

Die Wachstumsrate ist zur Zeit mit knapp vier Prozent so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr und auch doppelt so hoch wie die Erwartungen der Bundesregierung selbst. Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit nach den Worten Egon Frankes lediglich „etwas besser“ als im Vorjahr. Wenn schon die Bundesregierung das Wirtschaftswachstum als das Nonplusultra der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ansieht, so muß sie sich jetzt zwei Fragen gefallen lassen: Von welchem gewaltigen Anstieg der Arbeitslosigkeit ist man denn bitteschön ausgegangen für den Fall, daß die eigenen vergleichsweise bescheidenen Wachstumsraten von eineinhalb bis zwei Prozent realisiert worden wären? Und noch viel entscheidender: Welche astronomischen Wachstumsraten werden hier eigentlich angepeilt, die die Arbeitslosigkeit spürbar verringern sollen? Selbst jene Raten des derzeitigen Wachstums-Weltrekordlers Südkorea von zwölf oder 13 Prozent könnten hier erst mal nichts Grundsätzliches ändern, wenn es mal um fünfstellige Summen rauf oder runter geht. Es gibt heute insgesamt 2.099.863 registrierte Arbeitslose.

Oder sollte das Wachstum gar nicht so viel mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu tun haben? Dann gibt's nur zweierlei: Es müssen andere Strategien her. Und das Wachstum kann aus dem wirtschaftspolitischen Zielkatalog gestrichen werden. Als Selbstzweck ist es der Mühe nicht Wert. Obendrein ist dann die unsoziale Steuerreform, die die Wirtschaft ankurbeln soll, ein Muster ohne Wert.

Ulli Kulke