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Aufrichtige Trauer der Industrie

Die Lobbyisten in Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie sind von Strauß‘ Tod real betroffen / Sein Aufstieg in der Flugzeugindustrie begann mit Abstürzen / Wer führt nun die Seilschaft des toten Bayern an?  ■  Von Jürgen Gottschlich

Berlin (taz) - „Unterlagen zum Festakt? Ja wissen sie, der Festakt zum 150jährigen Firmenjubiläum ist wegen des Ablebens unseres Ministerpräsidenten verschoben.“ Für den Sprecher der renomierten deutschen Panzerschmiede Kraus -Maffai (Leopard II) ist es keine Frage, daß sich angesichts des Todes von Strauß eine Feier am Freitag dieser Woche von selbst verbietet. Denn die Trauer um FJS in den Konzernzentralen der Rüstungs- und Luftfahrtunternehmen ist echt. Wenn Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) von einem „herben Verlust“ spricht, der für sie durch den Tod ihres Protektors entstanden ist, entspricht dies im Gegensatz zu vielen anderen Trauerbekundungen exakt der Realität. Denn tatsächlich war es Strauß, der sehr frühzeitig auf die technologische „Schlüsselrolle der Luft- und Raumfahrtindustrie“ gesetzt hat, und die Industrialisierung Bayerns mit dem Ausbau eben jener High-Tech-Industrie koppelte. Da die zivile und militärische Luftfahrt zwei Seiten derselben Medaille sind, war es für Strauß nur konsequent, die Rüstungsindustrie in sein Förderprogramm mit aufzunehmen.

Sein Einstieg in die Luftindustrie begann in einer Kriegsmaschine. Die knapp 1.000 Starfighter, die Strauß gegen alle Widerstände bei Lockheed orderte und zum Teil in der deutschen Flugzeugindustrie umbauen ließ, erwiesen sich zwar als der größte Flop der Luftwaffe (bis 1982 250 Totalverluste und 96 tote Piloten), lieferten aber gleichwohl den Grundstock für den späteren Konzern MBB. Das Nachfolgemodell Phantom kam zwar noch aus den USA, doch mit dem Tornado hatte Strauß endlich einen europäischen Jagdbomber, an dem sein liebevoll gepflegter Konzern MBB heftig mitverdient. Zum entscheidenden Schritt in die Omnipotenz für alles, was fliegt, verhalf dem Bayer ausgerechnet ein Sozialdemokrat. Karl Schiller, Wirtschaftsminister unter Brandt, machte Strauß im März 1970 zum Vorsitzenden der deutschen Airbus-Gesellschaft. Bereits Ende desselben Jahres übernahm Strauß auch den Vorstandsvorsitz des europäischen Gesamtkonzerns Airbus -Industries.

Ausgestattet mit einer bayerischen Mehrheit im Staatsunternehmen MBB, dem Eigentümer des deutschen Airbus -Ablegers, steuerte Strauß die Finanzen in Richtung Süden. Lange vor der jetzigen Debatte um eine Daimler-MBB-Fusion sorgte Strauß für lukrative Zukäufe ins MBB-Imperium, unter anderem die erwähnte Panzerschmiede Kraus-Maffai vom Duz -Freund Flick. Daß er für Airbus und Rüstungsindustrie nicht nur die Gelder heranschaffte, sondern gleichzeitig auch noch deren bester Vertreter bei potentiellen Käufern war, machte ihn für die Firmen besonders wertvoll. Mit der Wende in Bonn wurde Strauß dann endgültig zum „König der Lüfte“. Er enterte einen Sitz im Aufsichtsrat der Lufthansa und sorgte nach und nach dafür, daß jede Stelle, die über Gelder für die Flieger zu befinden hat, mit seinen Spezis besetzt wurde. Angefangen vom Luft- und Raumfahrtkoordinator Erich Riedl im Wirtschaftsministerium, über Voss bei Stoltenberg, Pfahls im Verteidigungsministerium und Probst im Forschungsbereich, stellt die CSU, wo sie nicht selbst die Ministerposten innehat (Warnke und Zimmermann) alle Leute, die den Daumen auf der Mittelvergabe für die Fliegerei haben. Wenn MBB nun an „seinen Mut bei der Durchsetzung wesentlicher Entscheidungen“ erinnert, ist die Sorge, wer in der von Strauß gelenkten Seilschaft denn nun die Zügel übernehmen soll, nicht zu überhören.

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