„Unebenheiten“

■ Ceausescu in Moskau - Bruderzwist im Kreml

G A S T K O M M E N T A R

Ich wäre gerne eine lauschende Maus in dem Raum, in dem Ceausescu und Gorbatschow miteinander reden“, sagte ich der taz, als wir über den Moskaubesuch des rumänischen Despoten und seiner Machtteilhaberin sprachen. Das war nicht nötig. Die Differenzen zwischen den beiden Staats- und Parteichefs sind bereits derart groß, daß sie es offen zeigen. Es ist zur Sprache gekommen, daß der regierende Schusterlehrling aus Rumänien nur einen Hemmschuh darstellt für den Reformfortschritt der anderen sozialistischen Länder. Andererseits hat Ceausescu das Wort „Reform“ partout nicht in seinen sowieso beschränkten Wortschatz aufgenommen.

Zugeben mußte er bloß die „Unebenheiten“, die es zwischen seinen und des Gastgebers Auffassungen gibt. Daß und wie er mit Unebenheiten umzugehen weiß, bewies seine Aktion der Einebnung von Dörfern (die er seit zwei Wochen dank des öffentlichen Drucks mit „Modernisierung“ umschreibt). Nun wird er Gorbatschow nicht einebnen können. Gorbatschow aber sprach zielbewußt von der „natürlichen Um welt des Menschen“, die geschützt werden müsse, und auch das gespannte Verhältnis zu Ungarn wurde diskutiert. Selbst

verständlich ist Gorbatschow (noch?) nicht in der Lage, Ceausescu zu beseitigen.

Ein paar Brocken dürften dem an Kritik nicht gewöhnten „Conducator“ während des Essens aber doch im Halse stecken geblieben sein, nachdem er die Tischrede des sowjetischen Leaders über sich ergehen lassen mußte. Die „Achtung der Rechte und Freiheiten eines jeden Bürgers“, der „Verzicht auf Gewalt“ und sich auf die „Normen gesamtmenschlicher Moral“ zu berufen wie auch auf die UNO-Charta und die Helsinki-Schlußakte - so etwas hatte der Rumäne bisher nur von den „bösen Kapitalisten“ gehört. Nun aber wird er von der bislang „eigenen“ Seite zur Rechenschaft gezogen.

Der Eklat zwischen Moskau und Bukarest ist vorhanden - wenn auch für den einen oder anderen sprachlich verbrämt. Die Zeiten der politischen Pirouetten, durch die das „Genie aus Bukarest“ die Weltöffentlichkeit hinters Licht führte, sind vorbei. Deshalb müssen makabre Besuche bei Ceausescu, wie der des CDU-Europaabgeordneten Egon Klepsch und Konsorten, unterlassen werden, nicht zuletzt auch im Namen der sich in Ost-Europa anbahnenden Reformen, wie auch immer die aussehen werden.

Helmuth Frauendorfer, deutschsprachiger Schriftsteller

aus Rumänien, seit Dezember 1987 in West-Berlin