Pinochet verliert - das Militär bleibt

Mindestens zwei Tote bei Demonstrationen in der chilenischen Hauptstadt / Der Diktator akzeptiert seine Niederlage und stellt fest: die Militärs bleiben an der Macht / Gestern abend Riesen-Siegesfeier in Santiago  ■  Aus Santiago Thomas Schmid

Chiles Diktator Pinochet hat seine Niederlage anerkannt, seine Polizei erschoß zwei Menschen bei Demonstrationen: Santiago am Tag nach dem Plebiszit. Während in der Innenstadt von Santiago Tausende den Rücktritt Pinochets forderten, trat der Diktator - 19 Stunden, nachdem sein Innenminister die Niederlage beim Plebiszit eingestanden hatte - zum ersten Mal wieder an die Öffentlichkeit. Kurz zuvor hatte Verteidigungsminister Carvajal Gerüchte über einen Rücktritt des Generals öffentlich dementiert.

In strahlend weißer Galauniform erklärte der Diktator am späten Donnerstag abend seinem Fernsehpublikum: „Ich anerkenne und akzeptiere das Mehrheitsvotum, das die Staatsbürger gestern ausgesprochen haben. Ich respektiere es und werde dafür sorgen, daß es respektiert wird.“ Die Streitkräfte würden wie bisher ihren Pflichten nach Fortsetzung Seite 2

kommen, die sie mit der „ruhmreichen Tat des 11.September 1973“ übernommen hatten - der Tag des Putsches, an dem tausende von Chilenen ermordet wurden. „Sie werden weiterhin am Aufbau des künftigen Chile führend beteiligt sein.“

Während sich die Pressekonferenzen von Politikern jeglicher Coleur überstürzten, brachten am Donnerstag in der Innenstadt von Santiago tausende von Chilenen ihre Freude über den Sieg zum Ausdruck. Von Mittag bis Mitternacht durchkreuzten Demonstrationen das Geschäftsviertel. Immer wieder wurde unter dem offenen Applaus der Passanten und Zuschauer der Rücktritt Pinochets gefordert. Die Polizei setzte zwölf Stunden lang massiv Tränengas und Wasserwerfer ein. Und als gegen 21 Uhr Santiago zum dritten Mal in diesen historischen Tagen nach einem „Stromausfall“ in Dunkelheit tauchte, fiel der 14jährige Luis Alberto Silva tödlich in den Kopf getroffen auf der Alameda, der Prachtstraße von Santiago. Im Süden der Stadt wurde - ebenfalls im Verlauf von Demonstrationsfeiern - der 28jährige Patricio Palma Abarrete getötet. Am Freitag (nach Redaktionsschluß) wurde der Opposition schließlich der Park O'Higgins, der größte Platz im Zentrum der Hauptstadt, den man ihr vor einer Woche noch verwehrt hatte, zu einer Siegesfeier überlassen.

Beim Plesbizit habe nur die Wahl einer Person zur Debatte gestanden, hielt Pinochet fest, nicht aber die Verfassung selbst. Seit dem Sieg der Opposition über die Diktatur beim Urnengang werden Regierung, Militärs und die zivilen Gefolgschaft der Diktatur nicht müde zu betonen, daß vor allem die Verfassung respektiert werden müsse, die sich die Diktatur 1980 gegeben hat, die jede künftige Regierung und jedes künftige Parlament direkt unter die Kontrolle eines von den Militärs dominierten „Nationalen Sicherheitsrats“ stellt.

Im Rahmen dieser Verfassung, das sei breiter Konsens, könne es keinen Übergang zur Demokratie geben, stellte dagegen die „Vereinigte Linke“ - ein Bündnis von Kommunisten, Sozialisten und christlicher Linker - in einer ersten Stellungnahme nach dem Sieg der Opposition beim Plesbizid fest. Die Allianz forderte Pinochet erneut auf, die Konsequenzen aus der Niederlage zu ziehen und als Staatspräsident und als Oberkommandierender der Heerestruppen zurückzutreten.