KOMMENTAR: Doppelte Moral
■ Aids und Kinderkriegen sorgen für neues Bewußtsein im Viertel
Mit den Nutten ist es wie mit den Autos. Die meisten Männer
–wenigstens statistisch gesehen – wollen sie, bloß vor dem eigenen Häuschen haben sie gefälligst nichts verloren. Im privaten Vorgärtchen herrschen Sonnenblumen, Klematis, Abgas –und Kondomfreiheit. Der Liberalität und Toleranz des alternativen Viertel-Bewußtseins entspricht vor der Haustür die Spritzenfreiheit der Wohnstraße.
Inzwischen scheint bei jenen, die in den 70er Jahren zuteilungsreife Bausparverträge und zinsgünstige Darlehen für öffentlich Bedienstete ins eigene Bremer Bürger(!)haus investierten und ins so schön pulsierend quirlige Ostertor zogen, die schmucke Häuslichkeit auch ins politische Bewußtsein durchgeschlagen zu haben: Auch wenn keiner weiß oder laut sagen will, wohin: Der Puff muß weg, damit wiederum die Spritzen und Kondome wegkommen, damit die Prostituierten und Kleindealer wegkommen. Klartext: Bestimmte Menschen sollen gefälligst aus dem Viertel verschwinden. Es sind möglicherweise die gleichen Leute, die vor 10 Jahren „Weg mit der Polizei“ und „Her mit legalen Drogen“ forderten, die heute wieder das gleiche tun. Bloß umgekehrt.
Klaus Schloesser
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