Späte Reaktion auf Anti-DVU-Tumult

■ Ein Jahr nach Altermanns Einzug in die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung erhob Staatsanwalt Anklage gegen einen Protest-Teilnehmer / Private Anzeigen lagen vor

Pünktlich zum ersten Jahrestag des Einzugs von Hans Altermann für die neofaschistische DVU - Liste D in die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung und der daraufhin gestarteten Anti-DVU-Aktion vor und im Parlament hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage gegen einen der Aktivisten erhoben. Nach einer Demonstration hatten sich am 15. Oktober 1987 etwa 200 Anti-DVUlerInnen ins Parlament begeben und größtenteils die Eröffnungssitzung von der Tribüne aus begleitet. Etwa zwei Dutzend DemonstrantInnen hatten im Sitzungssaal für Tumult gesorgt.

Verstoß gegen fünf Strafrechtsparagraphen von „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“ über „Landfriedensbruch“ bis zu „Körperverletzung“ zählt der Strafantrag von Oberstaatsanwalt Eberhard Tscheppan jetzt

zusammen, den er aus mehreren Anzeigen sowie nach den Ermittlungsakten der Polizei gezimmert hat. Eine der Anzeigen stellte Stadtverordnetenvorsteher Alfons Tallert (SPD), nachdem die Ortspolizeibehörde bei ihm angefragt hatte, ob er Anzeige erstatten wolle. Bei dem „satten Hausfriedensbruch“, so Tallerts rechte Hand Rolf Reich vom Büro der Stadtverordnetenversammlung, sei beispielsweise ein Ordner an der Stirn verletzt worden, eine Flasche hätte den Kopf einer SPD-Abgeordneten knapp verfehlt und die Röcke von „zwei Damen aus der SPD-Riege“ seien von zerplatzten Safttüten verschmutzt worden. Der während der Nazizeit verfolgte Tallert habe für „Ruhe und Ordnung im Parlament zu sorgen“, mit seiner Position zum Rechts- oder Linksextremismus habe die Anzeige

nichts zu tun.

Warum bei zwei Dutzend DemonstrantInnen im Sitzungssaal nur einer belangt werden soll, erklärt Oberstaatsanwalt Tscheppan mit der Aktenlage. Weitere Personalien seien damals von der Polizei offenbar nicht aufgenommen worden.

Michael Detzel war überrascht, als ihm jetzt, nach einem Jahr, doch noch die Anklageschrift ins Haus flatterte. Er sei wohl deshalb Solist in den Akten des Staatsanwalts, weil er alleine Altermann „rausgeschoben“ habe. Außerdem wolle man vielleicht „tabula rasa“ machen, denn er „falle öfter mal bei Demos auf.“

Gaby Mayr

Der Antifaschistische Arbeitskreis wird sich heute mit der Anklage gegen Michael Detzel beschäftigen, 20 Uhr, Kulturzentrum Roter Sand, „Bürger“ 209.