Grüne Streß-Spionage

■ Die Grüne Bundestagsabgeordnete Gertrud Schilling wird des Geheimverrats bezichtigt

Berlin/Bonn (taz) - Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Gertrud Schilling, hat geheime Unterlagen des Verteidigungsausschusses kopiert und damit Ermittlungen des Bundestags-Geheimschutzes und vermutlich auch der Bonner Staatsanwaltschaft ausgelöst.

Beim Kopieren einiger Seiten des Bundeswehr-Planes für die 90er Jahre hatte Schilling vor gut zwei Wochen ein Blatt liegengelassen. Dieses Blatt soll nach Aussage von Zeugen über die Sekretärin in die Hände des SPD-Abgeordneten Egon Bahr gelangt sein (das ist allerdings gefährlich! d.S.) und der habe sofort bei BKA und Verfassungsschutz Alarm geschlagen. Im Verteidigungsausschuß habe dann am Mittwoch der CSU-Vorsitzende Biehle den vermeintlichen Verrat öffentlich verraten.

Augenblicklich wurde daraus gestern für die Medien, so Gertrud Schilling zur taz, „ein gefundenes Fressen, weil ich ja so was wie das Enfant terrible im Verteidigungsausschuß bin“. Sachlich sei die Angelegenheit, sagt Gertrud Schilling, „wirklich totaler Quatsch“. Bei zahlreichen Interviews am gestrigen Nachmittag wählte Schilling die Vorwärtsverteidigung und erklärte sich zur Sache, obwohl mit Aufhebung der Abgeordneten-Immunität eine Anklage wegen Geheimnisverrat möglich ist. Sie wisse, daß man solche Unterlagen eigentlich nicht kopieren dürfe und habe, „um das Original nicht zu beschmutzen“, ein Duplikat ausschließlich für eigene Notizen gebraucht. Sie sei „halt in einer Streßsituation“ gewesen. Das könne man ja schon daran sehen, daß sie eben dieses eine Blatt im Kopierer vergessen habe. Egon Bahr bestreitet, bis gestern irgendetwas von den kopierten Geheimakten gewußt zu haben.

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