IWF-Tagung „mit Soldaten geschützt“

Diskussion im Bundestag über den West-Berliner Polizeieinsatz zur IWF- und Weltbank-Tagung / Ellen Olms scharf angegriffen / Vergleich mit Vorfällen in Ost-Berlin / Kewenig: Pressefreiheit muß Grenzen haben  ■  Aus Bonn Oliver Tolmein

Zu einer scharf geführten Debatte über die Einschränkung der Demonstrations- und Pressefreiheit während der IWF- und Weltbanktagung Ende September in West-Berlin kam es gestern im Bundestag auf Antrag der Grünen. Vor allem Abgeordnete der CDU/CSU, aber auch Burkhard Hirsch von der FDP versuchten den West-Berliner Innensenator Kewenig (CDU) aus der Schußlinie der Kritik zu ziehen. Sie behaupteten, in West-Berlin sei u.a. von den Grünen und der AL eine bürgerkriegsähnliche Situation heraufbeschworen worden. Der Mordanschlag, die zahlreichen Aufrufe zur Gewalt hätten, so der CSU-Abgeordnete Zeitlmann, eine „prickelnde Bedrohungssituation“ geschaffen, die nur einen einzigen Ausweg zuließ: „Wir hatten 8.500 Soldaten in der Stadt, um Leib und Leben der 12.000 Banker zu schützen.“ In Stahlgewittern fühlte sich auch der Sprecher der CDU, Kalisch: „Es wurde ein wochenlanges Trommelfeuer gegen diese Tagung geschossen.“

Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Hans Klein (CSU), sah in West-Berlin ganz andere Grundrechte als die Pressefreiheit gefährdet: „Gefährdet war in Berlin die Bewegungsfreiheit unserer Gäste. Da wurden unsere Freunde aus der südlichen Erdhälfte, in der die Gastfreundschaft heilig ist, so erschreckt und eingeschüchtert, daß sie sich oft nicht einmal trauten, einen Einkaufsbummel zu machen.“

Besonders empört reagierten die CDU/CSU-Abgeordneten auf die Rede der Berliner AL-Abgeordneten Ellen Olms. Olms hatte die „kampfbetonte grüne Woche an der Spree“ als Ausdruck der „staatlichen Gewaltmonopolpolitik“ kritisiert und dem West -Berliner Senat ein „antidemokratisches Verständnis von Freiheitsrechten“ attestiert. Nachdem sie daraufhin neben etlichen Zwischenrufen schon eine Rüge der stellvertretenden Bundestagspräsidentin Renger („Sie sollten über einige der hier verwendeten Vokabeln nachdenken, Fortsetzung auf Seite 2

sie wären eines Ordnungsrufes würdig gewesen“) einheimste, griff der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Gerster in die vollen. Den 'Zahltag‘, die Zeitung der Anti -IWF-Kampagne, für die Ellen Olms als presserechtlich Verantwortliche zeichnete, ins Plenum schwenkend, rief er: „Mit diesem Blatt haben Sie sich nicht nur zur Gewalt bekannt, sondern versucht, eine internationale Konferenz zu verhindern.“

Als einziger Redner der SPD hieb auch der Vorsitzende des Innenausschusses Bernrath in diese Kerbe: „Natürlich ist es eine Provokation, wenn Sie im 'Zahltag‘ sagen: 'Laßt Eure Phantasie wallten‘ - das ist eine klare Aufforderung zur Gewalt.“

Der West-Berliner SPD-Abgeordnete Wartenberg konzentrierte sich dagegen auf die Kritik an Innensenator Kewenig, den er angesichts der Regelmäßigkeit von Polizeiübergriffen aufforderte: „Treten Sie lieber jetzt schon zurück, lange halten Sie das sowieso nicht mehr durch.“ Wartenberg bezog sich, auf die tags zuvor von der CDU beantragte Aktuelle Stunde des Bundestages zum Thema Pressefreiheit in Ost -Berlin: „Gerade angesichts der Vorfälle im Ostteil unserer Stadt müssen wir auch den Vorgängen hier besondere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen.“ Innensenator Kewenig selbst, der mit Landespolizeidirektor Kittlaus eigens angereist war, rechtfertigte erneut das Vorgehen der Polizei und unterstrich, daß es Grenzen für die Pressefreiheit gebe: das stehe sogar im Grundgesetz. „Wir sind stolz auf die Pressefreiheit, denn wir wissen, daß die Polizei nicht die Aufgabe hat, die Pressefreiheit zu schützen“, erklärte er schließlich schwungvoll, um sich, da war es aber schon zu spät, zu korrigieren: „Natürlich doch die Aufgabe hat, die Pressefreiheit zu schützen.“