„Erschreckende“ Junge Union

Berliner Schöffengericht verurteilt ehemalige JU-Mitglieder wegen Volksverhetzung / Auf Silvesterfete „Sieg Heil“ gerufen und Horst-Wessel-Lied gesungen / Politische Intrigen wurden vom Gericht bestätigt  ■  Von C.C.Malzahn

Berlin (taz) - Als die Sektkorken knallten, schulten die Mitglieder der Jungen Union Berlin auf der verbandsinternen Silvesterfeier ihre Stimmbänder: „Wir füllen unser Schwimmbad mit dem Blut der SPD, wir hängen Heinz Galinsky an der Synagoge auf!“ Das feuchtfröhliche Liedchen rundeten die jungen Konservativen mit einem lauten „Glory, Glory Hallelujah!“ ab und setzten schließlich noch ein paar „Sieg Heil!„-Rufe drauf. Mit dem „Deutschen Gruß“ und dem „Horst -Wessel-Lied“ klang die zünftige Zusammenkunft der CDU -Nachwuchspolitiker am Neujahrsmorgen 1987 schließlich aus.

Ein Schöffengericht verurteilte jetzt drei Teilnehmer der Fete wegen Volksverhetzung und der Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen. Der damalige stellvertretende Kreisvorsitzende der JU muß 8.400 Mark berappen, seine Kollegen müssen zur Strafe eine Fahrt zu Stätten des Nazi-Terrors mitmachen und ein Wochenende Jugendarrest verbüßen.

Die zwischen 19 und 25 Jahre alten Angeklagten bestritten die ihnen zur Last gelegten Vorfälle bis auf das Absingen der „Blutschwimmbad-Strophe“: „Wir sind die Opfer eines politischen Komplotts!“ Fürwahr: Die Anschuldigungen gegen das JU-Trio wurden von Partei- und Verbandskollegen, die in einer gegnerischen Fraktion organisiert sind, erst neun Monate nach der Feier publik gemacht. Zwei Tage später sollte ein neuer Kreisvorstand gewählt werden. Tatsächlich ging das Gericht in der Urteilsbegründung davon aus, daß die Belastungszeugen das Ziel verfolgten, die Angeklagten „als politische Gegner wegzudrängen“. Der Richter: „Erschreckend, daß der Nachwuchs schon lernt, sich auf diese Weise Mehrheiten zu verschaffen.“ Zwei der Angeklagten - darunter der Ex-Kreisvorständler - sind inzwischen aus der JU ausgetreten. In der letzten Zeit war es wiederholt zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Parteiausschlußverfahren wegen Rechtsextremismus in der JU gekommen.