Türke unter Polizeischutz

■ Polizei begleitet Türken während Evren-Besuch zum Arbeitsplatz und zurück / Kreisverwaltung bezeichnet Hausarrest als „geringstmöglichen Eingriff“

München (taz) - Vor der Münchner Verlagsbuchbinderei in der Luisenstraße hält ein weißer Golf. Zwei junge Zivilbeamte steigen aus, gehen die Treppen hoch und betreten das Büro des Chefs Franz Sch. „Sie haben keine Wahl, sie müssen mitkommen.“ Der Zivilbeamte steht vor dem 27jährigen Yüksel S. Seit einem Jahr arbeitet Yüksel in der Firma. Es ist Donnerstag nachmittag. Noch ist nicht Feierabend. Doch die Beamten wollen Yüksel nach Hause verfrachten. „Wir haben erfahren, daß es Schwierigkeiten gibt“, so ihre Erklärung. Die angeblichen Schwierigkeiten, erwartet die Polizei von einem ARD-Fernsehteam. Sie wollten die Abholaktion der Polizei filmen. Aber Presse ist bei den Aktionen der bayerischen Behörden zum Schutz des türkischen Staatsgastes Evren unerwünscht.

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat ordnete anläßlich des Besuch von Evren aus der Türkei „Ausgangsbeschränkung“ für einige türkische Bürger an. Die Bezeichnung „Hausarrest“, hört man im Amt nicht so gerne. „Es sind von vierzigtausend in München lebenden Türken nur 0,01 Prozent, nämlich vier Personen“, schränkt der Münchner Kreisverwaltungsreferent, Uhl (CSU), ein. „Der Aufenthalt des türkischen Staatsangehörigen S., Yüksel, geb. am 14.12.1961 in Ankara, wird nach § 7 Abs. 4 des Ausländergesetzes vom 28.04.1965 in der derzeit geltenden Fassung - nachträglich räumlich beschränkt“, lautet der erste Absatz der „Verfügung“, die Yüksel erhält. Was diese räumliche Beschränkung bedeutet, erklären die folgenden Absätze. „Herr S. hat sich vom 20.10.1988 11.00 Uhr mit 21.10.1988 11.00 Uhr ausschließlich im Anwesen Lilienstraße aufzuhalten.“ Desweiteren ist er „verpflichtet, sich zu den nachfolgend angegebenen Zeiten bei dem vor dem Wohnanwesen stehenden Polizeibeamten zu melden: Donnerstag 20.10.88 um 11.00 Uhr, 17.00 Uhr und 23.00 Uhr; Freitag 21.10.88 um 7.00 und 11.00 Uhr.“ An der Arbeit will das Kreisverwaltungsreferat seine türkischen Bürger deshalb nicht hindern. Die „Ausübung der beruflichen Tätigkeit“ wird erlaubt. Zwar ist im Papier davon die Rede, daß sich „Herr S. vor dem Gang zur...

Arbeit und vor dem Verlassen der Arbeitsstelle bei dem vor dem Wohnanwesen bzw. der Firma stehenden Polizeibeamten melden“ muß. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Vor dem Mietshaus in der Münchner Lilienstraße hält ein roter BMW. Es ist Donnerstag morgen um halb sieben. Zwei junge Zivilbeamte steigen aus und klingeln an der Haustür. „Sie wissen Bescheid, wir werden sie jetzt zu ihrem Arbeitsplatz fahren.“ Mit dieser Bemerkung nehmen die Beamten Yüksel am Hauseingang in Empfang. Bereits am Mittwoch erhielt der 38jährige Chef von Yüksel einen Anruf von der Polizei. Yüksel darf während des Evren-Besuchs seinen Arbeitsplatz nicht verlassen. Der Chef soll dafür sorgen. Zwei Beamte überzeugen sich am Arbeitsplatz, ob der Chef ihn überwachen kann. Zunächst ist Yüksels Arbeitgeber nicht von diesen Maßnahmen begeistert. „Ich habe keine Probleme, Yüksel ist ein recht netter Bursche.“ Doch als die Polizei Yüksel vor den Medien abschirmt, bangt auch er um den Ruf seines Unternehmens. Er hat Angst dadurch Arbeitsaufträge zu verlieren. Wegen einer Auseinandersetzung mit den grauen Wölfen wurde Yüksel im Dezember 86 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren verurteilt. Aufgrund dieses umstrittenen Gerichtsurteils - es gab diverse Ungereimtheiten bei dem Verfahren - sieht sein Anwalt keine Chance vor dem Verwaltungsgericht gegen den verhängten Hausarrest zu klagen.