Diktator Pinochet bleibt - sein Kabinett geht

■ Neun Minister in Chile ausgewechselt / Auch der Innenminister und Manager der Plebiszit-Kampagne für Pinochet, zurückgetreten / Der Diktator hat Verfassungsänderung erneut abgelehnt / Am Abend des Plebiszits soll Pinochet den Belagerungszustand geplant haben

Santiago / Berlin (taz/afp/ap/dpa) - Pinochet bleibt, die Militärjunta bleibt auch, doch rollen nun, zwei Wochen nach der Niederlage der Diktatur beim Plebiszit in Santiago de Chile, zumindest einige Köpfe des Kabinetts. Ein erstes kollektives Rücktrittsangebot der Regierung hatte Pinochet am Abend des Volksentscheids, als die Niederlage besiegelt war, rundweg abgelehnt. Nun, am Wochenende, mochte er ein zweites Angebot nicht mehr ausschlagen und wechselte insgesamt neun Minister aus. Den Hut nahmen unter anderen Innenminister Sergio Fernandez, der durch den Wirtschaftsexperten und früheren Finanzminister Carlos Caceres ersetzt wurde, der Außenminister Ricardo Garcia, der durch Chiles bisherigen Botschafter in Washington, Hernan Felipe Errazuriz, abgelöst wurde, sowie der offizielle Sprecher des Regimes und Generalsekretär der Regierung Orlando Poblete.

Pinochet bestätigte seinen Innenminister Fernandez zunächst noch einmal im Amt. Doch trat dieser dann wenige Minuten vor der Vereidigung der neuen Ministerriege überraschend zurück. Die rechten und rechtsextremen Parteien und Gruppierungen, die Pinochet bis zum 5.Oktober umstandslos unterstützt hatten, machten danach vor allem den Innenminister für die Niederlage verantwortlich. Pinochet hatte ihn vor einem Jahr offensichtlich als Manager seiner Plebiszitkampagne ins Kabinett gerufen, nachdem Fernandez bereits 1980 als Innenminister das damalige Plebiszit über die neue Verfassung zwar mit Betrug, aber erfolgreich über die Bühne gebracht hatte.

Anläßlich der Vereidigung des neuen Kabinetts signalisierte Pinochet am Freitag einen Verzicht auf eine weitere Kandidatur, die ohnehin mit der Verfassung kaum zu vereinbaren wäre. „Ich werde mein Amt an die Person übergeben, die die Bürger am 14.Dezember 1989 frei, geheim und wohlaufgeklärt wählen“, erklärte der Diktator. Andererseits stellte er klar: „Meine Herren, die Verfassung wird nicht geändert. Das steht nicht zur Debatte.“ Damit wies er die Ambitionen der Opposition zurück. Seit ihrem Sieg beim Plebiszit fordert diese eine Änderung der Verfassung, die die marxistische Linke von Wahlen ausschließt und jeden gewählten Staatspräsidenten und jedes gewählte Parlament der Kontrolle eines von den Militärs dominierten Nationalen Sicherheitsrates unterstellt. Und selbst rechte Parteien fordern, daß die Verfassung zumindest so weit verändert werden muß, daß sie verändert werden kann. Denn im Bemühen, ihre Herrschaft bis in alle Ewigkeit abzusichern, haben sich die Militärs eine Verfassung maßschneidern lassen, die Veränderungen auf verfassungsmäßigem Weg kaum zuläßt.

Inzwischen versucht Pinochet, seine Schäfchen zu sammeln. Am Freitag lud er die Vertreter der Parteien, die ihn unterstützt hatten, zu einem Essen in den Präsidentenpalast. Patricio Philipps (???), führender Politiker desjenigen Teils der Nationalen Partei, die sich kurz vor dem Plebiszit in Gegner und Befürworter der Diktatur gespalten hatte, teilte danach mit, man wolle die politische Zusammenarbeit mit Pinochet fortsetzen und werde mit einem gemeinsamen Kandidaten zur Präsidentschaftswahl im Dezember 1989 antreten.

Während der Diktator auf der strikten Einhaltung der Verfassung besteht, sickert nun durch, wie wenig er in der entscheidenden Nacht vom 5. auf den 6.Oktober gewillt war, die Verfassung zu respektieren. Das regierungsfreundliche Magazin 'Que pasa‘ bestätigte jetzt, was die oppositionelle Presse bereits behauptet hatte. Danach soll Pinochet, als sich die Niederlage der Diktatur abzeichnete, vorgeschlagen haben, seine Anhänger zu Siegesfeiern auf der Straße zu mobilisieren, um die Opposition zu Gegendemonstrationen zu provozieren und dann angesichts des allgemeinen Chaos den Belagerungszustand auszurufen. Doch die Junta weigerte sich in der entscheidenden Stunde, den Diktator mit entsprechenden Vollmachten auszustatten. Pinochet habe bei der mitternächtlichen Sitzung im Präsidentenpalast geschäumt vor Wut, berichtet 'Que pasa‘, General Sergio Valenzuela sei in Ohnmacht gefallen, und Ferando Matthei, Luftwaffenchef und Junta-Mitglied habe angesichts des behaupteten Sieges spöttisch gefragt: „Wo ist denn der Sekt abgeblieben?“

thos