Nicht vom Heiligen Geist geküßt

■ In einem Allparteien-Bündnis soll TU-Präsident Fricke im Dezember wiedergewählt werden / Ein Kandidat der Konservativen, eine von der linken Reformfraktion geprägte Koalitionsvereinbarung, wie paßt das zusammen?

Seit voriger Woche ist es amtlich: eine große Koalition verhilft dem konservativen TU-Präsidenten Manfred Fricke zu einer zweiten Amtszeit. Im Akademischen Senat (AS) wurde Fricke mit 17 gegen sieben Stimmen für die Wahl im Konzil nominiert - mit den Stimmen der Konservativen, der Liberalen und der linken Reformfraktion. Am Mittwoch dieser Woche billigte das Kuratorium den Wahlvorschlag des AS. Zwei Gegenstimmen kamen von dem CDU-Abgeordneten Legien und einer linken Studentenvertreterin. Die fünf Vertreter des Senats enthielten sich bei der Abstimmung ebenso wie der AL -Abgeordnete Grugelke. Der Durchführung der Wahl durch das Konzil am 7.Dezember steht damit nichts mehr im Wege.

Damals, 1986, als die große Koalition in Bonn die bundespolitischen Widersprüche einebnete, hatte man immerhin einen neuen Steuermann für das sinkende Schiff. An der Technischen Universität soll nun ausgerechnet der Mann weiterregieren, der das Schiff erst in Not gebracht hat.

Große Koalition: Das ist ein Novum an der TU seit der Einführung der Gruppenuniversität und Präsidentschaftswahlen 1969. Die neue Einigkeit ist aber umstritten - sowohl bei den Konservativen als auch in der Reformfraktion. In der Vergangenheit gehörten heftige hochschulpolitische Auseinandersetzungen zum TU-Alltag. So war der konservative Kandidat Fricke vor vier Jahren nur durch Gesetzestricks und gegen den erbitterten Widerstand der Reformfraktion zum Präsidenten gekürt worden. Seine Amtseinführung in den vergangenen vier Jahren hat ihn auch nicht gerade beliebt gemacht bei den Reformleuten, die ihn trotzdem bei seiner Wiederwahl im Konzil mitwählen werden.

Vor allem den Mitarbeitern der TU-Verwaltung ist er zuwider. Fricke wird von dieser Seite vorgeworfen, daß er als oberster Dienstherr in seiner „Menschenführung“ völlig unsensibel sei. Beim sogenannten Bauskandal habe er nicht verhindert, daß auch Mitarbeiter auf der unteren Ebene in die Schußlinie geraten sind. Zur Zeit läßt Wissenschaftssenator Turner disziplinarische Vorermittlungen gegen sie durchführen, die Fricke hätte verhindern können.

Geschlossenen Widerstand in Form einer Minderheitsfraktion gibt es bei den TU-Linken gegen die Große Koalition dennoch nicht. Die Reformleute sehen die Koalition als Versuchsballon, um zu testen, ob sie auf diesem Wege programmatische Vorstellungen durchsetzen und hochschulpolitisch die Fronten aufbrechen können. Selbst KritikerInnen wie AS-Mitglied Gudrun Rogge setzen auf das Prinzip Hoffnung: die bisherige Oppositionspolitik war in ihren Augen erfolglos. Unter den gegenwärtigen hochschulpolitischen Verhältnissen könnte Regierungsbeteiligung den Linken immerhin die Möglichkeit geben, hochschulpolitisch etwas zu bewirken. (Wie man sieht, steckt oft hinter einem linken Mäntelchen ein konservativer Geist, oder: wie verkauft man sich am besten - d.S.)

Wirkung hat die Große Koalition schon jetzt im konservativen Lager gezeitigt. Dort hat sich ein Konflikt zwischen ideologischen Hardlinern und „Modernisierern“ aufgetan. Professor Winje etwa, Verhandlungsführer der Konservativen, gehört zu jenen, die keine Berührungsängste mit dem linken Lager haben. So hatte er sich schon im Frühjahr in die Jury des alternativen Innovationspreises aufnehmen lassen und dadurch Interesse an den alternativen Studenteninitiativen signalisiert. Winje gehört auch zu den erklärten Befürwortern eines TU-Zentrums „Technik und Gesellschaft“, das die Linken seit Jahren fordern und das sie nun in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben haben. Winje ist sich mit den Linken darin einig, daß es in Sachen TU-Autonomie brenzlig wird.

Die konservativen Dogmatiker hingegen sehen im Zusammenspiel von Rechten und Linken den Ausverkauf der TU. Innerhalb ihrer Fraktion konnten sie sich jedoch nicht durchsetzen, da auch die Konservativen vor der Präsidentenwahl schlechte Karten hatten. Ihr Stimmenanteil im Konzil reicht nicht, um einen Kandidaten gegen die anderen Fraktionen durchzusetzen. Da Fricke sich jedoch nur mit breiter Mehrheit wiederwählen lassen wollte, mußten sie sich für Koalitionen öffnen. So versuchen Rechte wie Linke, aus ihrer Not eine Tugend zu machen und alte ideologische Gräben zu überwinden. Die Linken waren nicht in der Lage, jemand aus ihren eigenen Reihen zur Kandidatur zu bewegen.

„Wir werden auf jeden Fall Konflikte fahren müssen“, kündigt Carsten Busch, Vertreter der Studenten im Konzil, an. Busch argwöhnt, daß sich Fricke nur an die Buchstaben des Koalitionspapiers halten und damit unscharfe Vereinbarungen unterlaufen könnte. „Der wird ja nicht plötzlich vom Heiligen Geist geküßt“, kommentiert Busch die bisherigen Erfahrungen mit Fricke, „ob er sich an den Geist der Vereinbarungen halten wird, das steht ja noch dahin.“ Demgegenüber vertraut der ehemalige TU-Vizepräsident Simon auf Frickes Fairneß, die er in seiner bisherigen Amtsführung bewiesen habe. Mit FU-Präsident Heckelmann sei Fricke nicht zu vergleichen, da Fricke nicht persönlich belastet sei: „Heckelmann ist nicht wählbar, Fricke ist es.“

Völlig unbeteiligt war der TU-AStA an den Koalitionsverhandlungen. Nach der Auflösung der TU-AL ist der AStA dort im Umbruch und zur Zeit nahezu handlungsunfähig. Was man von der Großen Koalition halten solle, müsse man erst noch diskutieren, hieß es vorgestern lapidar im AStA - eine Woche, nachdem im AS die Würfel bereits gefallen waren.

Winfried Sträter