Weizsäckers „wahrer Freund“

■ Zu Kenan Evrens Besuch in der Bundesrepublik

In der vergangenen Woche war der türkische Staatspräsident Kenan Evren zu einem fünftägigen offiziellen Besuch in der Bundesrepublik Deutschland. Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat Kenan Evren, einen „wahren Freund“ mit allen, einem Staatsmann gebührenden Ehrerbietungen empfangen. Bei dieser Gelegenheit sprach der Bundespräsident dem türkischen Gast seine volle Anerkennung bezüglich der jüngsten Entwicklung in der Türkei aus und betonte: „Der von Ihnen verkündete Zeitplan für die Rückkehr zur Demokratie wurde voll eingehalten“.

Es wird gemeldet, daß starke Polizeikräfte nötig waren, um halb Bonn weiträumig abzuriegeln. Für die deutsche Polizei galt „Sicherheitsstufe eins“. Die Medien berichteten von Festnahmen, Schlägereien und Demonstrationen.

Was wollten die Demonstranten? Was wird diesem Mann zur Last gelegt?

-Der General Evren hat durch einen Militärputsch 1980 den Parlamentarismus in der Türkei ausgelöscht und eine Diktatur errichtet.

-Sein Name steht für Verhaftungen, Folter und Ermordung von Oppositionellen.

Er ist verantwortlich für Vergewaltigungen und Erniedrigungen in türkischen Gefängnissen speziell bei Frauen und Kindern.

-Ihm zu verdanken ist die Vernichtung der ökonomischen Basis und die Verfolgung aller demokratisch denkenden Türken und Angehörigen der nichttürkischen Völker in der Türkei wie Kurden, Armenier, Assyrer u.s.w.

-Durch sein Regime sind zig-tausende gezwungen, ins Ausland zu fliehen. Dort müssen sie das bittere Los eines Flüchtlings oder Asylsuchenden auf sich nehmen (viele davon in der BRD).

-In seinem Namen wird alles zerstört. Zu Recht werfen ihm türkische Schriftsteller und Künstler vor, „das kulturelle Leben in der Türkei zu töten“.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Aber der Bundespräsident sagt: Evren und seine Türkei haben die „vom Golfkrieg betroffenen kurdischstämmige Zivilbevölkerung ... in schwerer Zeit Schutz und Aufnahme gewährt...“

So macht man aus einem Mitschuldigen einen Menschenfreund, einen wahren Freund und Schutzengel der Kurden! Der Schutz, den Evren und seine Türkei den Hilfesuchenden Kurden „gewährt“ haben, sah wie folgt aus:

Nach den Gilftgasangriffen vom März '88 der Iraker gegen die Kurden sind nach Schätzungen über 30.000 Menschen umgekommen. Mehr als 130.000 verließen fluchtartig ihr Land und überquerten die türkische Grenze.

-Von diesen wird ein Großteil wieder in den Irak abgeschoben.

-Über 20.000 Menschen werden immer noch vermißt.

-Über 51.000 irakische Kurden leben jetzt in türkischen Konzentrationslagern. Möglichst viele von ihnen sollen ins Ausland abgeschoben werden.

Gregorios Panayotidis (gekürzt)