87 Demonstranten auf dem Prager Wenzelsplatz festgenommen

Prag (ap) - Einen Tag nach der verbotenen Demonstration auf dem Prager Wenzelsplatz haben Augenzeugen das Vorgehen der Polizei als das härteste seit 1969 bezeichnet. Die Augenzeugen berichteten, Bereitschaftspolizisten hätten bei der Kundgebung oppositioneller Gruppen zum 70. Unabhängigkeitstag der Tschechoslowakei auch ein vierjähriges Kind und mehrere alte Leute mit Schlagstöcken geschlagen. Andere sahen, wie der Strahl eines Wasserwerfers auf einen blinden Mann gerichtet wurde, der auf einem Bürgersteig am Wenzelsplatz ging. Danach hätten ihn Polizisten abgeführt.

Die Behörden teilten mit, nach der Demonstration seien 87 Personen festgenommen worden. Schon am Donnerstag waren nach Schätzung von Bürgerrechtlern 70 Menschen inhaftiert worden. Sie werden üblicherweise nach 48 Stunden freigelassen. In einem Fall, dem des Mitglieds der Menschenrechtsgruppe Charta 77, Vaclav Benda, war bekannt, daß er nach der Freilassung sofort wieder festgenommen worden war.

Die Charta-77-Unterzeichnerin Anna Sabatova verlas den Bericht einer Augenzeugin, nachdem etwa 400 Demonstranten nach der Vertreibung vom Wenzelsplatz zum Altstädter Ring gezogen seien. Dort sei eine Erklärung der Charta 77 verlesen worden, bevor auch hier Polizei mit Einsatz von Wasserwerfern und Schlagstöcken die Kundgebung aufgelöst habe. Frau Sabatova sagte, auch in der mährischen Stadt Brünn habe am Freitag eine Kundgebung unabhängiger Gruppen stattgefunden, die von der Polizei friedlich aufgelöst worden sei.