: Warum bringt Frau einen Mann um?
In Ansbach stehen eine Ehefrau und ihre zwei Freundinnen wegen der Ermordung ihres Ehemannes vor Gericht / Die Verhandlung fördert ein Geflecht von komplizierten Beziehungen zwischen den Frauen und dem Opfer zutage, ohne das Motiv ausreichend beleuchten zu können ■ Von Maria Neef-Uthoff
Ansbach (taz) - Eine zierliche junge Frau, fast noch ein Mädchen, mit brauen Stoppelhaaren, von denen ein paar langgelassene Fransen in den Nacken fallen, kommt die Gerichtstreppe hoch. Rechts und links hat sie je einen Polizisten. Sie ist blaß, wirkt eckig in den Bewegungen, und wie ein Kind, das es richtig machen will. „Das ist Uschi“, brummt ein Alter seiner Begleitung zu. Später, als ich ihn in der Stadt treffe, wird er mir sagen: „Die ist die Schlimmste, die kann nämlich Karate“.
Drei Frauen, ehemals Freundinnen, sind angeklagt, einen Mann umgebracht zu haben. Der Prozeß findet in Ansbach statt, vor dem Schwurgericht. Die böse Geschichte hat sich am 31.März vergangenen Jahres abgespielt.
Natürlich „heimtückisch“, natürlich „kaltblütig“, natürlich geplant. Natürlich deshalb, weil Frauen bekanntlich viel zu wenig aggressiv sind, um im Affekt zu morden. Totschlag kommt bei Frauen so gut wie nie vor. Also ein geplanter Mord. Mit zwei oder drei Beteiligten, die untereinander in komplizierten Beziehungen standen.
Das Gericht besitzt zwei Geständnisse, davon ein widerrufenes, und ein Alibi, das durch einen inzwischen bekanntgewordenen Brief angezweifelt werden könnte. Zur Zeit geht es darum, ob die Ehefrau des Ermordeten, die Jutta von Wolfgang dem Opfer gequält, geschlagen, mißhandelt wurde. Und, ob Rosie, die dritte der Frauen, wirklich während des Mordes, wie das Alibi sagt, bei ihren Eltern gewesen ist.
Nur bei Uschi scheint es keinen Zweifel zu geben. Sie hatte damals als erste gestanden, zusammen mit Jutta, der Ehefrau, den Mord ausgeführt zu haben. Später widerrief sie mit der Begründung, gezwungen worden zu sein.
An dem fraglichen Abend vor dem 1.April 1987 haben sich die beiden Frauen mit dem Mann zusammen betrunken. Sind mit ihm in ein Waldstück gefahren, und dann ist es passiert. Das Nylonseil steckte in der Jeans, oder auch woanders, und am Ende war der Mann tot. Wer aber gezogen hat, was für eine schreckliche Situation sich dort abgespielt hat, ob Jutta, die Ehefrau, wirklich davongelaufen ist, ohne das Seil in der Hand gehabt zu haben, ob, wie sie und Uschi sagen, Rosie doch mit dabei gewesen ist, welche Rolle Uschi wirklich gespielt hat, das alles bleibt noch ein Geheimnis der drei. Am zweiten Verhandlungstag beschuldigte jede die beiden anderen.
Rosie war in Jutta verliebt, kommt heraus. Jutta, die verheiratete kaufmännische Angestellte. Aber die sei, wiehert ein Journalist im Gang, „im wahrsten Sinne des Wortes für Handfesteres gemacht“. Sie wirkt etwas aufgedonnert, aber müde. Blondes Löwenhaar, beinahe schick.
Sie haben zwei Autos gehabt und ein Kind. Der Mann soll einmal, als Rosie und Uschi bei Jutta übernachtet haben, wütend gesagt haben „Mei Nicki fassen die net an.“ Nicki ist jetzt vier.
Die Geschichte dahinter ist sowohl kompliziert und schrecklich normal. Jutta war die unglückliche Liebe von Rosie. Rosie lebte aber im festen Verhältnis mit Uschi zusammen. Uschi sagt, Rosie habe sie geschlagen. Rosie hat damals 80 Kg gewogen. Jetzt sind es nur noch 60 Kg.
Eifersucht, Verlustangst aber auch gekränktes zurückgewiesenes Selbst auf der einen Seite, und bestimmt ein Geschmeicheltsein auf der anderen Seite hielt die Frauen zusammen. Uschi hat sich verbal von Jutta unter Druck gesetzt gefühlt. Sie hatte Angst vor beiden. Doch die Interpretationen bleiben wage. Abhängigkeiten müssen eine Rolle gespielt haben. Aber so diffus, und auch wieder so normal, daß man sich kaum vorstellen kann, wie daraus ein Mord entsteht. Alle drei lebten in Ansbach, alle sind im gleichen Alter, Anfang 20. Uschi ist die jüngste, sie kam 1985 von Nürnberg nach Ansbach, und soll dort sehr isoliert gelebt haben. Hatte fast keine Bekannten, außer ihrer Liebsten.
Wieso bringt man einen Mann um? Die Eltern des Ermordeten sind bei der Verhandlung dabei. Der Vater sitzt vorn im dunklen Anzug neben dem Nebenkläger. Die Mutter ist in der zweiten Reihe, fast ohne Gesichtsausdruck, und wenn, dann lächelnd. Schmerz ist zu diesem Zeitpunkt aus dem Gesicht nicht herauszulesen. Der Vater hat seine Geschichte an den Stern verkauft. Reich sind die Leute hier alle nicht. Im Saal drängeln sich eher die Armen. Viele alte Frauen, zum Teil Bekannte der Angeklagten. Als einer sich eine Stulle und eine Cola vornimmt, schimpft der Richter.
Heute am Montag, dem vierten Verhandlungstag, geht es um Jutta. Von außen betrachtet sieht es so aus, als würde die Zeugen alles Schlechte gegen Jutta zusammentragen. Niemand, auch ihre Freunde nicht, sagen etwas Freundliches über sie. Der Richter will wissen, wie das Verhältnis der Eheleute zueinander gewesen ist. Jutta hatte angegeben, der Mann habe sie mißhandelt und vergewaltigt. Die Freunde wissen nichts von alledem. Sie seien manchmal „rauh“ miteinander umgegangen, es hätte Streit gegeben, Wolfgang hätte mal eine dicke Lippe gehabt.
Jutta hatte Liebhaber, darunter hätte der Mann gelieten. Jutta habe keine „Erfüllung“ bei dem Mann gehabt, er war wohl auch böse auf sie, weil sie nicht mit ihm schlafen wollte. Warum fragt der Anwalt die Zeugin hinterher? Ob Jutta den Grund mal gesagt habe? „Weil er so brutal war“.
Ob er brutal war, oder nicht, darum scheint es hier nicht zu gehen. Denn alle sagen, er sei ein liebevoller Vater gewesen und habe das Kind abgöttisch geliebt. Er sei viel öfter mit dem Kind zusammengesehen als Jutta. Keinem ist bewußt, wie deutlich ein Mann auffällt, der sich um ein Kind kümmert. Niemand scheint zu bemerken, daß Jutta es heimlich angekreidet wird, ihr Kind angeblich nicht so oft auf den Arm gehabt zu haben. Als sie mal zu viert mit dem Kind beieinander waren, habe Jutta gegessen, und das Kind „auf dem Boden sitzengelasen“. Sie, die Zeugin, habe das Kind auf den Schoß genommen. „Jede Mutter macht doch, daß sie ihr Kind auf den Schoß nimmt“.
Der Richter fragt nach den Verhältnissen, Erzählungen, nach dem Verhältnis zum Kind. Wolfgang habe sich beklagt, daß seine Frau „ihm sexuell nichts biete“.
Jutta hat sich die Brüste liften lassen. Sie schämte sich wegen der Narben. Einmal habe er einen Glastisch nach ihr geworfen.
Für Jutta sieht es schlecht aus, denn die Freunde erzählen, daß sie früher schon mit Mordgedanken herumgegangen sei. Da werden die Geschichten aufgewärmt, die man so leicht im Flax sagt. Sie hätte im Spaß gedroht, ihm den Fön in die Badewanne zu schmeißen, oder ihm was unters Essen zu mischen. Er hätte daraufhin zu seinen Freunden gesagt, falls ihm was passiere, sollten sie es nachprüfen.
Der Volksmeinung nach ist Jutta abgebrüht. Ihr angeblich nicht ganz einwandfreier Lebenswandel trifft sich auf der Oberfläche mit ihrer mürrischen Verschloßenheit im Gericht. Ihr Mund ist klein und zusammengepreßt. Sie wirkt wie eine, die die Dinge nach innen drückt. Trotzig, und dennoch.
Die Verhandlung geht weiter, in der kommenden Woche werden wieder Zeugen vernommen, unter anderem die Mütter. Gutachten werden ebenfalls erwartet.
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