Hernan Büchi - eine chilenische Karriere

Der Finanzminister des Andenstaates hat die größte Privatisierungswelle in der Geschichte Chiles eingeleitet  ■ PORTRAIT

Von Gaby Weber

Wenn Hernan Büchi, der chilenische Finanzminister, ins Schwärmen gerät, dann rechnet er vor, wie er sich der lästigen Auslandsschulden entledigen könne. Er schätze den gesamten industriellen Sektor des Andenstaates auf zwölf Milliarden Dollar. Dem stehe eine Schuld von 15 Milliarden entgegen. Was liege also näher, als das eine gegen das andere zu tauschen? Und weil für Hernan Büchi nichts näher liegt, will er noch in diesem Jahr zumindest die Staatsbetriebe verkauft haben.

Der Finanzminister mit den Vorfahren aus der Schweiz gilt als engster Vertrauter Pinochets. Er repräsentiert die zweite Generation der sogenannten privatisierungshungrigen „Chicago Boys“, benannt nach dem Chicagoer Wirtschafts -Professor und Nobelpreisträger Milton Friedman.

Der heute 39jährige wurde im Norden des Landes, in Iquique, geboren. Sein Vater, Major der Luftwaffe, verpaßte seinem Jungen höchstpersönlich einen Bürstenhaarschnitt, was ihm den Spitznamen „Pelao“ einbrachte, „der Geschorene“. Büchi studierte in Santiago Ingenieurwissenschaften. „Er war ein Mathematik-Genie“, erinnerte sich ein Kommilitone. „Er studierte wenig, galt als Anti-Establishment“. Jüngling Büchi träumte von Woodstock und Easy Rider und verschlang haufenweise Donald Duck. Der Nichtraucher, Nichttrinker und Nichttänzer liebte Yoghurt und Knäckebrot, die Yamaha und das Fahrrad und zog die Treppe dem Fahrstuhl vor.

Ende der sechziger Jahre sympathisierte er mit der linksradikalen „Bewegung der Revolutionären Linken“, MIR, wo er durch die pünktliche Entrichtung seines Monatsbeitrages angenehm auffiel. Ab 1972 wurde er Mathematik-Professor und führte brav zehn Prozent seines Gehaltes an die Organisation ab. „Er sprach immer davon“, so zitiert die Oppositionszeitung 'APSI‘ einen Studienkollegen, „daß es eine Partei links von der Allende-Regierung geben müsse“.

Im selben Jahr zog es ihn an die Basis, in den Betrieb. In der Kupfermine Chuquicamata machte sich der MIR-Anhänger bei den Arbeitern beliebt; man bot ihm einen festen Job an. Doch Büchi zog es zu Höherem. Nachdem ihn seine Kommilitonen zum „besten Companero des Jahres“ gewählt hatten, ging er 1973 in die USA, an die Universität von Columbia. Dort überraschte ihn im September der Putsch.

Er fühle sich „hilflos bei dem Anblick, wie die Rechte die Regierung Allende gestürzt“ habe, schrieb er an zurückgebliebene Freunde und äußerte massive Bedenken gegen das neue, neoliberale Wirtschaftsmodell der Militärs. Er werde zurückkommen, so kündigte er an, „um Opposition zu machen“.

Was nun folgte, ist weitgehend unklar. Büchi selbst gibt kaum Interviews, schon gar nicht über seinen Lebenslauf. Aber als Büchi zwei Jahre später zurückkehrte, fädelte er sich in die Mannschaft des damaligen Wirtschaftsministers Sergio de Castro ein, des obersten Chicago-Boys. Von da aus fiel er im Pinochet-Staat die Treppe hinauf. Als Unterstaatssektretär für Wirtschaft schaffte er fast alle Subventionen ab. Im Januar 1981 wurde er ins Gesundheitsministerium abkommandiert, wo er sich nicht nur durch die Auflösung der Abteilung „Umweltpflege“ unbeliebt machte; er schränkte auch die Überwachung der Lebensmittel -Produktion ein und höhlte den Arbeitsschutz aus.

1983 wechselte er als Direktor zum „Nationalen Planungsamt“, bis er ein Jahr später zum Superintendenten für Banken und Finanzinstitute ernannt wurde.

Gerade 35jährig, ernannte Pinochet den Mann mit der Beatles -Mähne im Januar 1985 zum Finanzminister und läutete damit die größte Privatisierungswelle in der Geschichte Chiles ein (zuletzt ausführlich: taz vom 27.4.). „Büchi läßt sich nicht auf wirtschaftspolitische Diskussionen ein, denn davon hat er keine Ahnung“, so beschreibt ihn einer seiner Mitarbeiter, „aber er ist ein hochbegabter Mathematiker und ein glänzender Technokrat. Er hätte auch unter einer anderen Regierung Minister sein können“.