... so langweilig?

■ Was in Bremen alles nicht passiert, wenn in der Republik mal was passiert Keine Gefahr, daß neue Köpfe mit neuen Ideen nach vorn drängen

Warum ist die Politik in Bremen nur so langweilig? Redet Euch nicht mit den Zeitläuften heraus.

Da produzieren die Sozialausschüsse der CDU, die Sozialdemokraten auf deren ureigenem Terrain gleichzeitig links und rechts überholend, eine neue Idee nach der anderen über die Zukunft von Arbeit, Freizeit und die soziale Sicherung der Zukunft; und von Bremens Sozialpolitikern hört man allenfalls Vorgestanztes über Warenkorbregelsatzbedarfsdeckungsberechtigung oder so.

Da mischt ein Lafontaine seine Partei auf und fetzt sich mit der halben Republik, und in der gesamten bremischen Politik bringt ein Trüppchen gerade noch eine stinklangweilige Versammlung zustande, die das Problem in einer Arbeitsgruppe beerdigt.

Da führt die IG Metall 7 (in Worten: sieben) Kongresse zur Zukunft der Gesellschaft durch, und die heimische Ortsverwaltung schafft nicht einmal einen

Leserbrief an das Lokalblättchen, auf daß auch ja niemand merke, daß sich in der größten Gewerkschaft der Welt etwas zu bewegen beginnt.

Da müssen Grüne aus Bremen fort wie spiegelverkehrte Stadtmusikanten, wenn sie den Aufbruch '88 vorhaben, damit sie ihre Basis nicht beim Zusammentelefonieren des Quotenvorstands stören.

Unbequeme Denker, Querköpfe, Leute, die früher etwas merken als andere und sich Unkonventionelles zu sagen trauen, brauchen in bremischen politischen Organisationen gar nicht mehr diszipliniert zu werden. Es gibt sie nur noch so selten, daß sie nicht mal als Hofnarren ein Ärgernis sind. Die Gefahr, daß, wo Repräsentanten abgewirtschaftet haben, neue Ideen und neue Personen nach vorn drängen, besteht nicht. Wer nach vorn drängt, hat keine Ideen, und wer Ideen hat, drängt verständlicherweise höchstens in die Toskana. So wird das

Publikum selbst um die politische Erfolgsvorstellung „Machtkampf“ gebracht und muß sich mit der billigen Schmierenkomödie „Untersuchungsausschuß“ begnügen.

Wo sind die Papiere, in denen Umstürze geplant, Rücktritte gefordert und Welten verbessert werden? Wo die Zirkel, in denen gedacht, diskutiert, gestritten wird, daß die Stadt widerhallt? In einem solchen Klima, wo große Zeitungen nur noch Presseverlautbarungen nachdrucken und das Fernsehen die Leute mit netten Filmchen unterhält, können sich selbst solche Veranstaltungen wie der Senat und die Bürgerschaft einbilden, was sie machen, sei Politik.

Und redet Euch wirklich nicht mit den Zeitläuften heraus. Was gäbe es nicht alles zu denken. Eine Schule, in die Kinder gerne gehen, die soziale Unterschiede ausgleicht und die keine staatliche Anstalt ist. Eine Stadt, in der es mehr Musikanten, Maroniver käufer und freundliche Leute auf der Straße gibt als Autos. Fabriken, an deren Produkten die Flüsse nicht sterben und das Grundwasser nicht und auch sonst niemand. Ein Elektrizitäts-Unternehmen, das die Leute berät, wie sie Energie sparen können. Halbtagsarbeitsplätze, die es auch Männern möglich machen, im Haushalt zu arbeiten. - Und was gäbe es dann nicht alles zu tun. Und alles in Bremen.

Ach ja, gelegentlich trifft man ja einen Menschen, dem geht es genauso. Der oder die ist glücklicherweise nicht in einer Partei. Sonst wäre es ihm wahrscheinlich auch schon vergangen. Aber unglücklicherweise ist er auch sonst nirgendwo. Und jedenfalls mischt er sich nicht ein.

So haben die Väter und die Enkel schon die Zukunft der Kinder verspielt. Die Urenkel bemühen sich jetzt, sie auch noch zu verschlafen.

Wieviel Katastrophe braucht der Mensch? Edo Luebbin