Ein Jahr Frühstück mit „Tach auch“

■ Ab dem 4. 11. 1987 wurde das Presse-Monopol des H. C. Ordemann noch perfekter: Die erste identische Lokalausgabe von „Weser-Kurier“ und „Bremer Nachrichten“ erschien / Seither beginnt der Tag mit „Tach auch“

Aufmerksame LeserInnen merkten die Veränderung an der neuen freundlich-unerheblichen Guten-Morgen-Rubrik „Tach auch“. Andere lasen von nun an mit Behagen die sich häufenden rührend-menschlichen „Lese-Geschichten“, welche von ganz anderen LeserInnen ab sofort genervt überblättert wurden. Initiativen und Behörden waren verstimmt, weil nicht mehr garantiert jede Presse-Erklärung abgedruckt wurde. Andere fanden alles unverändert - in dem langweiligen Konglomerat brav nacherzählter Presse-Termine. Journalistische KollegInnen dagegen registrierten, daß auf den Pressekonferenzen ein Stuhl und ein Kaffee-Gedeck mehr verwaist

war.

Was war an jenem 4. November 1987 geschehen: Bremens monopolistischer Verleger Herbert C. Ordemann, der in Bremen zwei Zeitungen herausgibt, den auflagenstarken „Weser -Kurier“ (WK) und die kleineren „Bremer Nachrichten“ (BN) hatte den Lokalteil der „Bremer Nachrichten“ mit dem des großen WK zusammengelegt. Gleichzeitig hatte er die günstige Gelegenheit genutzt, dem zusammengelegten Produkt ein geliftetes Outfit, ein „human-touch„-Konzept und etliche, bei anderen Lokalzeitungen abgeguckte Neuerungen zu verpassen.

Damit war gleichzeitig die Zahl der in Bremen erscheinen

den Lokalteile von fünf auf vier geschrumpft. Als kurz darauf, am 24. November, die „Bremer Morgenpost“ ebenfalls eingestellt wurde, verwaiste noch ein Stuhl und noch eine Kaffee-Tasse auf den Pressekonferenzen. Bestand haben seither - von lokalem Funk und Fernsehen abgesehen - „Bild -Bremen“ (Auflagen-Tendenz heftig fallend), „taz-Bremen“ (Tendenz langsam steigend) und „Weser-Kurier“ (Tendenz, zumindest im Umland, steigend).

Zwar ist der überregionale Politikteil der „Bremer Nachrichten“ (BN) noch eigenständig vorhanden, doch von dem Slogan „Bremer Nachrichten - weil sich da die Bremer nach richten“ ist rein gar nichts mehr übrig.

Den ehemaligen BN-RedakteurInnen fiel die „Zusammenlegung“ zum Teil recht schwer. Jahrelang hatten sie in ehrgeiziger Konkurrenz zum „verschnarchten“, „bürokratischen“ WK gestanden. Tagtäglich sich bemüht, die attraktiveren Themen und Geschichten in ihr kleines, aber feineres Blatt zu holen. Dabei hatten sie mehr Wert auf Initiativen -Berichterstattung und zumindest etwas frechere Schreibe gelegt. Für sie begann die „Zusammenlegung“ bereits mit dem 2. November 1987. Als sie damals ahnungslos ihre leergeräumten Büroräume betraten, waren über Nacht ihre Schreibti

sche eine Etage tiefer in die Zimmer der WK-RedakteurInnen verfrachtet und mit den WK-Schreibtischen zusammenge rückt worden. Aber nicht alle Ex-„BN„-lerInnen waren traurig über die Veränderung, etliche freuten sich, endlich Mitglied der tonangebenden, auflagenstärkeren, wenn auch gemächlicheren „Weser-Kurier„-Redaktion geworden zu sein.

Fast doppelt soviele wie vor

her, 25 RedakteurInnen, arbeiten jetzt in der neuen, zusammengewürfelten Lokalredaktion und produzieren - was sie selbst erstaunt - noch immer die gleiche Seitenzahl: Braucht es doch mehr Arbeitskraft für die Koordination der KollegInnen, für das Leser-Telefon und die -Briefe, die Jugend- und die Verbraucherseite. Außerdem gibt es Reibungsverluste - etwa durch journalistische Alleingänge des Kollegen Axel

Schuller, der sich einige faux-pas leistete - zum Beispiel eine Leser-Umfrage, die die Ausländerfeindlichkeit in der Stadt anheizte. Und nicht zuletzt, so klagen einige Ex-BN -RedakteurInnen, sei die Arbeitsmotivation gehörig gesunken. Ein Ex-BN-Redaktions-Mitglied zog ein persönliches, „gefühlsmäßiges“ Resumee: „Die Flügel sind gestutzt“.

Barbara Debus