: Schmuel Gogol...
■ ...erzählt heute die Geschichte seiner Mundharmonika
Schmuel Gogol ist „ein Großvater“, dem der Schalk in den Augenwinkeln sitzt. Er spricht ein warmherziges, jiddisch gefärbtes Deutsch - mit Worten wie „scheen“ und „verrickt“, die in Bremen nur noch höchst selten zu hören sind. Deutsch
-das hat er in Auschwitz gelernt. Und wenn er einen Satz sagt wie: „Das einzige, was mich hält, ist der Humor und die Kinder“ - dann glaubt ihm die Zuhörerin aufs Wort.
Schmuel Gogol lebt in Israel. Dr. Helmut Hafner, Mitarbeiter der Senatskanzlei, hat ihn gebeten, auf der heutigen Gedenkveranstaltung um 20 h im Rathaus aufzutreten - mit seiner Mundharmonika.
Schmuel Gogol ist 1925 in Warschau geboren. Im Alter von dreieinhalb Jahren starb seine Mutter, der Vater war als Kommunist eingesperrt worden. Schmuel lebte bei seiner Großmutter. Mit 7 1/2 Jahren zog er um in das Waisenhaus des Pädagogen Janosz Korczak: „Das war wie im Paradies. So ein scheenes Haus. Lauter weiße Bettchen.“
In diesem „Paradies“ begann Schmuel Gogols Karriere auf der Mundharmonika. Er hatte ein anderes Kind beim Spielen beobachtet und beschlossen, alle seine kostbaren Milchzähne zu sammeln, um sich als Gegenwert zwei kleine Mundharmonikas zu erhandeln. Das „Geschäft“ klappte und er bekam eine „fröhliche“ in C-Dur und eine „traurige“ in H-Moll. Zum Geburtstag schenkte ihm Korczak dann eine „richtige“, chromatische Mundharmonika.
Als Schmuel Gogol 1942 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde, nahm man ihm das Instrument sofort ab. Doch im Tausch gegen die Essensration von 14 hungrigen Tagen konnte er sich eine neue Harmonika erhandeln. Damit spielte er in einem „der unglücklichsten Orchester“, die es je gegeben hat, dem Orchester, das regelmäßig vor dem Krematorium 3 aufspielen mußte. Um das Grauen nicht mitansehen zu müssen, schloß er beim Musizieren die Augen. Diese Angewohnheit hat er bis heute - außer wenn er vor Kindern spielt.
Und vor Kindern spielt er oft, denn er hat in Ramat Gan (Israel) ein professionelles Mundharmonika-Orchester mit Kindern aufgebaut, das Werke von Bach, Mozart und Mendelsohn -Bartholdy im Repertoire hat.
Vor seiner Abreise ist er in Israel gefragt worden: „Wie kannst Du nur nach Deutschland fahren?“ Und er hat geantwortet: „Kinder sind für mich etwas besonderes, und es ist meine Pflicht, der Jugend zu erzählen, was war.“
B.D.U-Satz:!!!!
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen