: Die neuen großen Unbekannten
■ Grotheer, Marlis & Sakuth, Peter bereit zum Bremenregieren / Bremens beste VerlegenheitskandidatInnen für Bildungs- und Innenressort / Andere SenatorInnen waren aus dem Bett weg nicht zu verpflichten
Wenn es nach unserem Bürgermeister geht, wird Bremen demnächst auch von einem gewissen Herrn Sakuth, Peter und einer Frau namens Grotheer-Hüneke regiert. Besonders auffällig an den SenatorInnen in spe: Selbst uraltgedienten SPDlerInnen fällt zu beiden eigentlich nur ein, daß ihnen eigentlich nichts besonderes zu ihnen einfällt.
Über Marlis Grotheer-Hüneke ist immerhin herauszufinden, daß sie schon mit 20 in die SPD eingetreten ist, um mit 38 Bildungssenatorin zu werden. Damals machte Grotheer-Hüneke noch Hochschulpolitik und studierte in Münster für das höhere Lehramt. Sie wechselte das Studienfach, nachdem sie probeweise vor einer Schulklasse gestanden hatte. In Bremen arbeitet sie heute als Rechtsanwältin und rückte - entgegen irrtümlich anderslautenden
Behauptungen des Bürgemeisters - tatsächlich erst 1986 in die Bürgerschaft nach.
Hier bitte die gezeichnete Frau
Bei der Politikerin Marlis Grotheer erinnern sich eingeweihte SPD-Kreise mühsam an zwei gelungene „Coups“: Erstens hat das Kippenberg-Gymnasium nicht nur einem „Wortbruch“ des noch amtierenden Senators Franke, sondern auch der SPD-Bildungsdeputierten Grotheer zu verdanken, daß es zum Sek-I-Zentrum werden soll: Schon zu einem Zeitpunkt, als es in der SPD noch Mehrheiten für die Schließung des Hermann-Böse-Gymnasiums gab, plädierte Grotheer schon einsam aber schließlich erfolgreich für die Schließung von Kippenberg.
Zweite hervorstechende Leistung: Grotheer gelang es vor zwei Jahren, den Bau eines Altenwohnheims in ihrer Wohnstraße zu verhindern. Dummerweise ge
riet sie ausgerechnet vor der letzten Bürgerschaftskandidaten-Kür mit dem „unsozialen Coup“ in die Schlagzeilen des „Weser Report“. Zusammen genommen langte beides zumindest einigen GenossInnen, um Senator Franke inständig zu bitten, wenigstens bis zum Ende der Legislaturperiode Bildungssenator zu bleiben. Grotheer reagierte gestern gereizt auf die „ziemlich widerlichen und unsachlichen“ Widerstände: „Sowas mitzumachen, habe ich eigentlich nicht nötig.“
Nötig findet Bürgermeister Wedemeier dafür - neben Grotheer - auch den SPD-Unterbezirksvorsitzenden im Bremer Westen, Peter Sakuth. Für den 41jährigen, jünger aussehenden Regierungsrat a.D. mit dem wohlerzogenen Konfirmandengesicht ist die als Innensenator der zweite Anlauf zu größerer politischer Karriere. Sakuth hatte es immerhin schon mal zum Referenten von Ex-Bürgermeister Koschnick gebracht, verlor aber die Lust an seinem Job, als er sich bald in einem abgelegenen Abstellzimmer des Rathauses wiederfand.
1983 wurde Sakuth die ins Stocken geratene Karriere in der Senatskanzlei mit einem Bürgerschaftsmandat versüßt, wo er postwendend zum Sprecher der Innendeputation avancierte. In seinem Unterbezirk setzte Sakuth sich bei seiner Kandidatur für den
UB-Vorsitz mit einem vehementen Plädoyer für mehr „Partei -Rednerschulung“ durch. Außerdem gilt der langjährige Sprecher des Beirats Gröpelingen als größtes Organisationstalent der SPD für kleinere Aufgaben und als einer der Architekten eines neuen Beirätegesetz. Sakuths Gesetzentwurf mußte sein mutmaßlicher Amtsvorgänger Meyer allerdings aufgrund der parteiinternen Kritik zurückziehen.
Hier bitte den gezeichneten Mann
Mit Meyer verbrachte Sakuth auch die Nacht vom 17. zum 18. August dieses Jahres: Sakuth gehörte zu den „Neugierigen“, die sich während des Bremer Geiseldramas im Lagezentrum der Polizei herumdrückten und dort nach Auffassung von Ex -Generalstaatsanwalt Günter Wendisch überhaupt nichts zu suchen gehabt hätten. Den bisherigen Bremer SenatorInnen fiel Sakuth wieder ein, als sie eine halbe
Nacht ihrer Cuxhavener Klausurtagung erfolglos hinter einem hochkarätigen Meyer-Nachfolger hertelefoniert hatten. Gehandelte Kandidaten der nächtlichen Telefonaktionen: Der innenpolitische Experte der SPD-Bundestagsfraktion, Wilfried Penner, und der „Schmied“ des rot-grünen Bündnisses in Hessen und Chef von Holger Börners Staatskanzlei, Paul Leo Giani. Als der senatorischen Krisenrunde die Erkenntnis dämmerte, daß Innensenatoren sich kaum aus dem Bett weg verpflichten lassen, wandten sie sich an Sakuth.
Gestern demonstrierte Sakuth in einem einzigen Satz sowohl integrative wie (dank Rednerschulung?) rhetorische Fähigkeiten. Sakuths Antwort auf die Frage, ob sein Parteivorsitzender nun auch zurücktreten solle: „Der Unterbezirksvorstand hat die Erwartung geäußert, daß der Landesvorstand vorrangig daran zu arbeiten hat, Personalprobleme solidarisch zu lösen.“
K.S.
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