43 Tote bei Massaker in Kolumbien

■ 150 schwerbewaffnete Männer überfallen Kleinstadt westlich von Bogota / Bürgermeisterin hält Todesschwadronen für verantwortlich In der Stadtmitte das Feuer eröffnet / Sprengsätze und Maschinengewehrsalven in Nachtbars / Auch in Privathäuser eingedrungen

Bogota (afp/taz) - An die 150 schwerbewaffnete Männer haben in der kolumbianischen Kleinstadt Segovia, 300 Kilometer nordwestlich von Bogota, unter der Zivilbevölkerung ein Massaker angerichtet. Mindestens 43 Personen wurden getötet, dutzende verletzt. Zwar sprachen der Gouverneur der Provinz und der Generalstaatsanwalt von einem Überfall linker Guerilleros der kommunistischen FARC und der castristischen ELN, doch widersprach Rita Ivonne Tobon, Bürgermeisterin der 25.000 EinwohnerInnen zählenden Stadt, die im größten Goldgräbergebiet des Landes liegt, dieser Version. Die Politikerin, die der linksoppositionellen „Union Patriotica“ (UP) angehört, lastete das Massaker Todesschwadronen an.

Nach der Schilderung der Bürgermeisterin fuhren die Täter am Freitagabend um 19.00 Uhr Ortszeit mit vier Jeeps auf den Hauptplatz in der Stadtmitte vor und eröffneten aus Maschinengewehren das Feuer auf die Menschen, die sich dort im Park aufhielten. Anschließend brausten sie durch die Straßen und schossen wild um sich. In zwei Nachtbars warfen sie Sprengsätze unter die Gäste und feuerten Maschinengewehrgarben hinterher. Dabei starben allein in einem Tanzlokal 16 Menschen. Die Täter drangen auch in einige Privathäuser ein, die sie offenbar bereits auf einer schwarzen Liste hatten, und ermordeten die Bewohner.

Rita Ivonne Tobon dementierte auch die Darstellung von Armee und Regierung, daß die Polizeiwache, das Fernmeldeamt und andere öffentliche Einrichtungen völlig in Trümmer lägen. An den Gebäuden seien lediglich Einschüsse zu sehen. Die Regierung hatte angegeben, Guerilleros hätten das Rathaus, zwei Gaststätten und ein Einkaufszentrum zerstört, bevor sie nach einem sechsstündigen Gefecht von der Armee zurückgeschlagen worden seien. Gleichzeitig sei ein weiterer Angriff von etwa hundert Guerilleros auf eine 30 Kilometer entfernte Kaserne abgewehrt worden.

Die Bürgermeisterin von Segovia begründete ihre Zweifel an der offiziellen Version unter anderem damit, daß die Angreifer weder Parolen gerufen noch Flugblätter hinterlassen noch eine Ansprache gehalten hätten. Gegen die Annahme, die Guerilla habe das Massaker verübt, spricht zudem, daß die Aufständischen bislang nie wahllos die Zivilbevölkerung angegriffen haben.

Und weshalb sollte sie es gerade in Segovia getan haben, wo die Mehrheit der Bevölkerung die linke UP gewählt hat, die politisch der FARC-Guerilla nahesteht und bereits über 600 von Todesschwadronen ermordete Mitglieder zu beklagen hat? Der Nordosten der Region Antioquia, wo die Goldgräberstadt liegt, ist seit Jahren besonders stark von der Repression durch Militärs betroffen. Die Armee bezichtigt vor allem die Bauern, mit der Guerilla zusammenzuarbeiten, die im Gebiet starke militärische Verbände unterhält. In Remedios, wenige Kilometer von Segovia entfernt, waren 1983 Leichen von 33 Bergleuten gefunden worden, die der Kollaboration mit den Aufständischen verdächtigt worden waren. Im Mai dieses Jahres fiel der Bürgermeister der Kleinstadt, Mitglied der UP, einem Killerkommando zum Opfer.

Die Stadtverwaltung von Segovia ordnete eine dreitägige öffentliche Trauer an und verhängte ein Alkoholverbot.

thos