Frauen ins Museum

■ Von der „höheren Tochter“ zur wohldotierten Position - Zur Quotierung von Frauen in der Kunst

Johanna Schenkel

Auf die Frage, wo denn die Frauen in der deutschen Kunst seien, antwortet der Kölner Maler Jiri Georg Dokoupil der US -Zeitschrift 'ARTnews‘: „Zu Hause, beim Kochen.“ Solch Zynismus wird noch übertroffen von dem, was ein berufener Kunstvermittler, der Direktor des Frankfurter Architektur -Museums und frisch ernannte Gründungschef des Kunst- und Medienzentrums in Karlsruhe, Heinrich Klotz, im Vorwort eines Buches über Die Neuen Wilden in Berlin schreibt: „Elvira Bach ist zu gut, um nur den Part der Alibi-Frau gegen die 'reine Männerherrschaft‘ in diesem Buch zu übernehmen.“ Sprachs und ließ sie außen vor.

War bis vor gar nicht langer Zeit die Ausbildung der Tochter aus gutem Hause in der Kunst der Garant für ein sicheres und kultiviertes Leben als Ehe- und Hausfrau, so haben sich die Verhältnisse in den letzten Jahren gründlich geändert. Die Studentinnen der Kunstgeschichte (70 Prozent aller Immatrikulierten) bzw. Frauen an den Kunstakademien (60 Prozent) beenden nicht nur in der Regel ihr Studium, Ziel ihrer Bemühungen ist eine anschließende Berufstätigkeit. Dem gegenüber stehen aber nicht nur die Stellenkürzungen im öffentlichen Dienst, sondern auch eine Einstellungspolitik, die nur als frauenfeindlich zu bezeichnen ist. Sind beim nebenamtlichen Fachpersonal noch 31,8 Prozent und bei den DozentInnen noch 20,2 Prozent Frauen, so sind es bei den ProfessorInnen im gesamten Bereich der Kunstvermittlung nur noch 8,6 Prozent.

Ähnlich düster sieht es in den Akademien und Kunsthochschulen aus. In dienender Stellung, als Galeristen, Museumspädagogin, Kustodin oder Restauratorin finden sich hingegen zahlreiche qualifizierte Frauen.

Mit dem Ziel, solche Verhältnisse zu verändern, trafen sich zum vierten Mal die Kunsthistorikerinnen vom 21.bis 24.9.1988 in Berlin. Den fast 1.000 versammelten Teilnehmerinnen geschah ähnliches, was ebenso oft den Künstlerinnen passiert, sie wurden im Eifer der Gefechte um den Kongreß des Internationalen Währungsfonds von den Medien nahezu übersehen.

Auf der Tagung wurde gleich am ersten Tag unter dem Titel Spiegelungen oder: Identifikationsmuster partriarchaler Kunstgeschichte heftig darum gestritten, ob es einer weiblichen Kunstwissenschaft vornehmlich darum gehen soll, blinde Flecken und Fehler einer männlich dominierten Zunft aufzudecken oder vielmehr einen eigenen Blick auf die Kunst zu wagen.

Des weiteren wurde die Einstellungspolitik im Kunstbetrieb unter die Lupe genommen, die Rolle der Frau als Mäzenatin, Muse und Museumspädagogin. Besonders bei einer Podiumsdiskussion mit sechs Frauen, die ihr Auskommen als Galeristinnen, Journalistinnen und Museumsangestellte haben, ging es hoch her. Genaue Auskunft über Berufsweg und Fühlungnahme mit der Kunst wurde gefordert, ebenso deutlich eine Stellungnahme zur Förderung von Künstlerinnen.

Das Bewertungsverfahren von männlicher beziehungsweise weiblicher Kunst wurde beleuchtete, der Frage nach der Qualität, mit der hier Hierarchien gebildet werden, wurde an Beispielen nachgegangen, etwa bei den Künstlerpaaren Sonja und Robert Delaunay und Camillie Claudel und Auguste Rodin. Hauptproblem bei der Frage nach der Qualität: Was nicht zu sehen ist, läßt sich auch schwer beurteilen.

So forderte Margarete Jochimsen in ihrem Vortrag Hürde Qualität: Umstrittener Begriff und kunstpolitisches Instrument eine Quote für die Beteiligung von Künstlerinnen an Ausstellungen sowie für die Kunsthistorikerinnen bei der Einstellung an Museen, Akademien und Instituten. Nur eine gesetzliche Regelung könne die andauernde Nichtbeteiligung von Frauen in der Kunst und an der Wissenschaft noch ändern. Diese Forderung wurde mit sonst seltener Einmütigkeit angenommen, um Qualität ging es nicht mehr.

Gezielt wird eine Einflußnahme von Frauen auf die wachsende Bilderflut im Alltag gefordert, auf deren Macht über die Gemüter, aber auch auf die Bewertung und Förderung aktueller Kunst.

Die Zahlen sprechen für sich: Der Anteil der Künstlerinnen in der BRD wird auf 40 Prozent geschätzt, davon sind an den großen Ausstellungen beteiligt:

„Westkunst“: 5,5 Prozent

„Zeitgeist“: 2,1 Prozent

„New Spirit in Painting“: keine Frau

„Kunst in der BRD“: 5 Prozent

„Deutsche Kunst des 20.Jahrhunderts“: 5,7 Prozent

„Positionen moderner Kunst“: keine Frau

„Zeitlos“ 9,6 Prozent

Ankäufe der Museen insgesamt: unter zehn Prozent.

Warum wird die Bastion Kunst bis heute besser bewacht als Naturwissenschaft oder Wirtschaft? Was stützt die Vorurteile, und wieso werden nach wie vor erfolgreich Freiheit und Qualität der Kunst gegen das Recht der Künstlerinnen auf Präsentation ihrer Werke ausgespielt? Was nützt eine Quotierung, und wie läßt sie sich durchsetzen? Dazu äußern sich zwei Frauen, konträr: Die Künstlerin Rune Mields und die Museumsdirektorin Katharina Schmidt. „Hauptsache, meine Kunst ist zu sehen.“

Rune Mields arbeitet seit 20 Jahren als Künstlerin. Sie versucht, mit ihrer Malerei in Zeichensystemen und Zahlen den Gegensatz von Ordnung und Chaos zu ergründen. Inzwischen gehört sie zu der Handvoll international anerkannter deutscher Künstlerinnen. Im Umfeld der Diskussion zur „Binationale“, einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst in Düsseldorf, bei der zum Schluß neben 26 männlichen Künstlern nur noch die Arbeit einer Frau zu sehen war, hat Rune Mields öffentlich die Quotierung für die Kunst von Frauen gefordert. Sie meint, daß damit die stagnierende Situation in Bewegung kommt. In den achtziger Jahren ist die Beteiligung von Frauen an wichtigen Ausstellungen noch schlechter geworden als in den siebziger Jahren. Bei der Dokumenta7 (1982) waren es noch 13 Prozent, bei der Dokumenta8 (1987) nur noch 9,7 Prozent. Diese Tendenz hängt auch mit dem Wechsel der Stile zusammen. Waren in den siebziger Jahren viele Frauen in der Konzept- und Minimalkunst engagiert, so ist in der Fin-de-Siecle-Stimmung der achtziger Jahre ein Hang zur Selbstbespiegelung und -erhöhung besonders in der figurativen „wilden“ Malerei zu finden. In dem traditionellen Medium des Mannes, der Malerei, wiederum vermarktet von einer reinen Männerclique, seien, so Rune Mields, kaum Frauen zugelassen. Grund sei nicht die mangelnde Qualität ihrer Bilder, sondern die Rückkehr der Männer zu herkömmlichen Techniken.

Zudem fiele den Ausstellungsmachern bei ihrer Auswahl oft erst gar keine Frau ein; oder sie entschuldigten sich mit der obligatorischen Alibifrau, die aber dann bei der nächsten Ausstellung gegen eine neue ausgewechselt werde.

Diese Mechanismen können bis in die Kunstkritik beobachtet werden. Wenn Künstlerinnen in ansehnlichen Quantitäten vertreten sind, wird oft keine ihrer Arbeiten auch nur erwähnt (Beispiel: Wechselströme Bonn). Und wenn ausschließlich Frauen gezeigt werden, spricht man gleich von einer feministischen Ausstellung, ohne detaillierter auf die Arbeiten einzugehen.

Rune Mields glaubt, daß dies schon bei der Ausbildung beginnt: Den jungen Frauen klopft man lobend auf die Schultern; die Männer aber werden ernsthaft kritisiert und so auf die künftige Konkurrenz vorbereitet. Zwar werden Stipendien inzwischen auch relativ gleichberechtigt an Frauen vergeben, aber die wichtige Förderung danach erfahren nur wenige. Diese schlechte Situation wird kaum durch Solidarität unter den Frauen aufgefangen, wenn, dann geht sie meist von den älteren aus.

Rune Mields schätzt für die Kunst der siebziger und achtziger Jahre den Anteil der Werke von Frauen auf 35 bis 40 Prozent; das bestätigen Wettbewerbe und Juroren. Wenn diese Arbeiten in den entsprechenden Ausstellungen, die von öffentlichen Geldern finanziert werden, tatsächlich gezeigt werden müssen, dürfte sich auch auf dem Kunstmarkt bald einiges verändern. Eine Quotierung verletzt die Freiheit der Kunst

„Unter der Voraussetzung einer gesetzlichen Quotierung für Frauen in der Kunst bin ich meinen Beruf nicht angetreten und könnte ihn so auch nicht ausüben,“ sagt Dr.Katharina Schmidt, Direktorin des Kunstmuseums Bonn. Sie, eine der wenigen bundesdeutschen Museumsleiterinnen, ist strikt gegen eine gesetzliche Quote. Eine solche Vorschrift hält sie für völlig absurd, da damit die Freiheit der Kunst und die Arbeit von Ausstellungsmachern empfindlich eingeschränkt werde. Das fragile Verhältnis zwischen Künstlern und ihren Ausstellern, das ohnehin durch viele außerkünstlerische Faktoren gestört wird, würde zu einer Zwangsverpflichtung geraten, die weder der Kunst noch den Betrachtern zugute käme. Die Künstlerinnen würden mit ihren Arbeiten zu einer Pflichtverordnung, vergleichbar der Vorschrift für „Kunst am Bau“ (zwei Prozent der Gesamtbausumme eines öffentlichen Gebäudes müssen für Kunst verwandt werden).

Außerdem würden sich damit die Beurteilungskriterien für die Kunst der Frauen verschieben. Arbeiten, die wegen ihrer hohen Qualität ausgewählt würden, seien dann dennoch mit dem Stigma einer Auswahl nach Vorschrift behaftet.

Sie verweist auf die Schwierigkeiten bei der praktischen Ausführung: Wer soll die Quote kontrollieren? Verstößt solch ein Gesetz nicht gegen das garantierte Grundgesetz von Freiheit der Kunst und der Gleichheit von Mann und Frau? Könnte man bei monografischen, also auf einen oder eine Künstler/in beschränkte Ausstellungen, noch versuchen, ein Gleichgewicht zu halten, so sei das für Gruppenausstellungen schon sehr viel schwieriger. Wenn der Aspekt von Nationalität oder Alterszugehörigkeit nicht eine ausgewogene Anzahl von Künstlern und Künstlerinnen im Quotenverhältnis erbringe, seien solche Zusammenstellungen nicht mehr zu realisieren. Noch schwieriger sei der Zwang zur Quote bei Themenausstellungen.

So oder so habe ein Ausstellungsmacher jederzeit mit aller Sorgfalt die Zusammenstellung und Präsentation moderner Kunst zu besorgen. Wenn dabei zu einer Ausstellung mit dem Titel Zeitlos (Berlin, Hamburger Bahnhof 1988, Harald Szeemann) eine so wichtige Künstlerin wie Hanne Darboven, die sich seit über 20 Jahren mit dem Phänomen „Zeit“ auseinandersetzt, nicht eingeladen werde, dann sei das dumm und zeuge von mangelnder Gründlichkeit in der Vorbereitung. Dennoch müsse die Entscheidung den Ausstellungsmachern überlassen bleiben, schon alleine, damit der Einzelne weiter zur Verantwortung, auch der Irrtümer, gezogen werden kann.