„Die Zeit der Packungen ist vorbei“

Luxemburgs leidgeprüfte Fußballer - immer noch die Punktelieferanten Europas  ■  PRESS-SCHLAG

Das graue Sweatshirt durchgeschwitzt, heftig gestikulierend steht er im gleißenden Licht vor den Fernsehkameras und erklärt, woran es diesmal lag. 90 Minuten lief er auf der Aschenbahn auf und ab, raufte sich die Haare, feuerte seine Elf lautstark an, doch am Ende war das Ergebnis wieder einmal standesgemäß: Luxemburg-CSSR 0:2, da konnten auch die Kraftakte von Nationalcoach Paul Philipp am Spielfeldrand nichts bewirken.

Die Glanzzeiten des Luxemburger Fußballs liegen bald 25 Jahre zurück. Damals stürmten die „Letzeburger“ nach einem 2:0-Sieg gegen die Niederlande überraschend ins Viertelfinale des Europapokals der Nationen, dem Vorläufer der heutigen Europameisterschaft. Seitdem mußten sich die Kicker aus dem Großherzogtum jedoch meist mit der Rolle des Punktelieferanten begnügen, gegen den das Siegen nicht allzu schwer fällt. Während bei den Fußballgiganten Reisen nach Albanien, Malta oder Zypern wegen drohender Blamagen eher unwillig angetreten werden, gestaltet sich ein Gastspiel in Luxemburg meist als harmonischer Betriebsausflug: vor 16 Jahren wurde zum letzten Mal ein Gegner bezwungen (2:0 gegen die Türkei), und nur selten erwiesen sich die Luxemburger als unbequeme Gastgeber.

Wenn sie ihre Gäste dann doch einmal überraschen, sieht sich der Fußballzwerg oft arroganten Spötteleien der soeben blamierten Fußballgrößen

ausgesetzt. Nach einem knappen 2:1-Sieg seiner Mannschaft bezeichnete Frankreichs damaliger Nationaltrainer Hidalgo das sorgfältig gepflegte „Stade Municipal“ der Hauptstadt als „Ackerfeld“, und auch der Deutschdäne Piontek soll ein starkes Spiel der Luxemburger mit ausfälligem Spott gegen die Gastgeber quittiert haben. Als den Luxemburgern im letzten Dezember gar ein 0:0 gegen Schottland gelang, bemühte deren Coach das angeblich zu kleine Spielfeld im Escher Stadion als Ausrede für die eigene Leistung. Das ließen die findigen Sportjournalisten des Landes nicht auf sich sitzen. Ein Nachmessen ergab, daß das Spielfeld in Esch den internationalen Normen voll und ganz entsprach. Dem schottischen Trainer schlug das Spiel- und Meßergebnis jedenfalls so auf den Magen, daß er bei UEFA-Lehrgängen seinen luxemburgischen Kollegen nicht mehr zu grüßen pflegt.

„Die Zeit der Packungen ist vorbei“, sieht Nationaltrainer Philipp seine Mannschaft im Aufwind. Zwar spukt das letzte 0:9-Debakel gegen England auch sechs Jahre später noch alptraumhaft durch die Luxemburger Fußballwelt, doch trägt das kontinuierliche, allwöchentliche Training (jeden Mittwochabend) der Nationalelf langsam Früchte. Immer häufiger gelingt den Luxemburgern ein Unentschieden oder eine knappe Niederlage (nach einheimischer Sprachregelung ein sogenanntes „positives Resultat“).

Den Luxemburgern machen jedoch nicht nur sportliche Mängel zu schaffen. Während z.B. Malta zwar nicht mehr auf dem berüchtigten Hartplatz, aber immer noch vor einem enthusiastischen Publikum spielen kann, stößt die luxemburgische Nationalequipe bei ihren Landsleuten nur auf geringe Resonanz. Im ruhigen Großherzogtum finden sich nur wenige fanatische Fußballfans, und die sind meist italienischer oder portugiesischer Abkunft. Gegen südeuropäische Mannschaften geraten Heimspiele leicht zu Auswärtsspielen. Luxemburgische Fußballfreunde beobachten das Treiben ihrer nationalen Fußballamateure lieber aus skeptischer Distanz. Wer identifiziert sich schon gern mit Verlierern? Den Luxemburgern müsse man erst etwas bieten, bevor sie sich engagieren, meint Nationalcoach Philipp und zuckt mit den Schultern: „Damit muß man eben leben.“

Auch die laufende WM-Qualifikation brachte nichts Neues. Je 2.500 Zuschauer erlebten die „positiven Resultate“ gegen die Schweiz (1:4) und die CSSR (0:2). Damit belegen die Luxemburger schon wieder den vorletzten Platz in der Qualifikationsgruppe 7. Daß sie nicht Letzter sind, liegt einzig und allein daran, daß Portugal noch kein einziges Spiel bestritten hat. Dies ändert sich morgen. Da hat Luxemburg beim Spiel in Portugal Gelegenheit, zur Abwechslung mal Auswärtsstärke zu demonstrieren.

Thomas Roser