Die Zerstörung der Illusion

■ Uwe Stoll, Bremer Filmemacher, premierte am Sonntag im Modernes mit seinem Film „Durst“. Er ist somit ein Bremer KulturProduzent und wird als 22. Mitglied in unseren CultureClub aufgenommen.

taz: Du wurdest am Sonntagabend anläßlich der Premiere deines Films „Durst“ im Modernes als junger Bremer Filmemacher, aber vor allem als das Vorzeigekind der Bremer Film-Szene gefeiert. Fühlst du dich als ein solches?

Uwe Stoll: Ich bin in diese Rolle hineingedrängt worden: Ich glaube, es gibt in Bremen gute Ansätze von FilmemacherInnen, die sich auf keinen Fall hinter ihren Werken verstecken dürfen, aber es gibt viele, die Angst haben, in die Öffentlichkeit zu treten, sich der Kritik des Publikums zu stellen. Aber nur so kommt man ins Gespräch...

Du hast in Hamburg das Filmhandwerk gelernt?

Ja, ich war zwei Jahre am Filminstitut, dort habe ich auch Seminare gegeben; man lernt in den zwei Jahren Expose- und Drehbuchschreiben, Kamera- und Regietechnik, Schnitt. Das Gute in Hamburg: das Institut arbeitet sehr eng mit dem NDR und dem Studio Hamburg zusammen, nach einem Jahr werden die Seminarfilme vorgeführt und auch vom NDR gesendet.

Ist „Durst“ deine Seminararbeit?

Nein, „Durst“ ist eine völlig unabhängige Produktion

Inwiefern unabhängig? Beim

Nachspann deines Films fällt einem die lange Liste der Sponsoren auf: kann man zu einem solchen Film „unabhängig“ sagen, wenn Becks, die Bremer Landesbank und Langnese u.v.a als Sponsoren hinter dem Film stehen?

Der Film ist unabhängig, weil ich mein eigener Produzent bin, es gibt keinen Co-Produzent, den ich aber gerne gehabt hätte. Wir brauchten Geld, und wir haben Geld bekommen, ohne Konzessionen machen zu müssen. Wir konnten vollkommen frei arbeiten, mußten uns niemandem unterwerfen. Godard hat mal gesagt, „Filme zu machen ist die Kunst, Geld aufzutreiben“, Geld aufzutreiben ist ein Kampf, und für viele Sponsoren, die wir gewinnen konnten, war dieser Film ein Text, ein Pilotprojekt.

Wird man als Regisseur und Produzent nicht beeinflußt von der Sponsoren-Crew, die man im Rücken hat, auch wenn sie keine Konzessionen verlangen, vor allem wenn es sich um productplacement - wie bei Becks - handelt?

Es gibt in dem Sinne - außer bei Becks, von denen wir bis jetzt keinen Pfennig gesehen haben - kein vordergründiges productplacement, niemand hält eine Marlboro-Schachtel in die Ka

mera etc. Insofern sind die Sponsoren vertretbar, die Arbeit wurde von ihnen nicht beeinflußt.

Welche Vorbilder hast du bei deiner Arbeit, gibt es Regisseure, von denen du gelernt hast?

Peter Greenaway ist fantastisch, auch Martin Scorcese, viele Russen, zum Beispiel Tarkowskij. Aber im Grunde schaue ich mir Filme immer sehr unvorbelastet an, lasse sie wirken und frage dann, was gut war. Vor allem finde ich, daß der Unterhaltungswert eines Filmes sehr wichtig ist.

Zu den Gagen: Es gibt Gerüchte, die sagen, daß vielen MitarbeiterInnen Geld zugesagt wurde, sie aber nichts bekommen haben, und an dem Premieren-Abend 15 Mark für den Eintritt zahlen mußten.

Nein, das stimmt nicht. Jeder, der angefaßt hat, sei es der Kameramann oder der Kabelträger, hat einen Arbeitsvertrag bekommen mit der Klausel „Gagenzurückstellung“. Niemand hat in dem Sinne unentgeltlich gearbeitet, und alle Mitarbeiter haben für die Premiere eine Einladung bekommen.

Hast du den Film schon an andere Sender verkauft?

Es gibt Verbindungen zum WDR, zum SFB, Radio Bremen, aber noch keinen Vertrag.

Noch einmal zu deinem Film. Du hast vorhin von dem Unterhaltungswert eines Films gesprochen. Glaubst du, daß dein Film einen Unterhaltungswert hat?

Der Film wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten gedreht. Die Geschichte ist wichtig für einen Film, sonst ist er hohl. Die story in „Durst“ ist in sich geschlossen und sehr einfach, aber ich habe das Einfache auf den verschiedensten Ebenen mit Irritation verbunden, um dem Publikum vor den Kopf zu stoßen; es wäre einfacher gewesen, diesen Film einfach nur zu erzählen,

dann wäre er griffig und amüsant gewesen wäre, und würde auch im Zeittrend liegen. Aber das wollte ich nicht: Der Film sollte die Illusion, die ein Film mit sich bringt, zerstören. Ich wollte das Publikum verwirren.

Im Grunde geht es in „Durst“ auch nicht um eine Story, ich wollte eine Geschichte spielerisch, verwirrend erzählen, einen in sich schlüssigen Film drehen, der den Zuschauer bei der Hand nimmt und ihn in einen Raum der freien Assoziation führt. Mehr wollte ich nicht.

Fragen: Regina Keichel