Die Revolution als Operette

■ Das Münchner Stadtmuseum zeigt Fotografien von der Novemberrevolution

Fotografien aus der Zeit der Revolution in München 1918 / 19 hat man oft gesehen. Sie zeigen Soldaten, Barrikaden, Aufmärsche oder Porträts berühmter Räterepublikaner. Die historische und politologische Forschung über diese Zeit hat sich bisher nur auf Ereignisse und Personen konzentriert, die Fotografien aber, die diese Ereignisse dokumentieren, immer ignoriert. Erst in jüngster Zeit haben sich Wissenschaftler darüber Gedanken gemacht und nachgefragt: Wer hat die Fotos gemacht, wie wurden sie verbreitet, warum hat der Fotograf gerade jenes Motiv gewählt, und schließlich, welche Wirkung übten die Bilder auf den Verlauf des Geschehens aus?

Jetzt, anläßlich des siebzigsten Jahrestages der Revolution in München, gibt eine Ausstellung im Münchner Stadtmuseum erste Antworten. Unter dem Titel Revolution und Fotografie. München 1918 / 19 werden knapp fünfhundert Exponate aus dem Zeitraum November 1918 bis Sommer 1919 vorgestellt. Rudolf Herz und Dirk Halfbrodt, verantwortlich für die Konzeption, haben den Schwerpunkt auf die „fotografische Medienöffentlichkeit“ der Revolutionsmonate gelegt. Das Ergebnis dieser Betrachtungsweise ist verblüffend: Die Linke hat das fotografische Medium nämlich nicht genutzt. Einerseits wußte sie nicht um die agitatorischen Möglichkeiten der Fotografie, andererseits wollten die revolutionären Gruppierungen damit auch nicht umgehen. Symptomatisch dafür war das Desinteresse der Kunstfotografin Germaine Krull. Die Porträtistin Kurt Eisners engagierte sich zwar im Untergrund als kommunistische Agentin, aber als Dokumentaristin für die Rotgardisten zu arbeiten, das lehnte sie ab.

Aus diesem Grund stammt fast das gesamte Bildmaterial jener Tage von bürgerlichen Berufsfotografen. Der bedeutendste Pressefotograf aus dieser Zeit war Heinrich Hoffmann, der spätere „Hoffotograf“ Adolf Hitlers. Hoffmann arbeitete während der gesamten Revolutionszeit in München und veröffentlichte Hunderte von Fotos. In der ersten Phase, von November 1918 bis Februar 1919, war Hoffmann der einzige Fotograf überhaupt, der die Ereignisse auf Platten dokumentiert hat. Er war damals politisch noch nicht festgelegt, seine Bilder wirken objektiv. Hoffmann bildete ab, was er sah. Manche Motive militärischer Auseinandersetzungen verblüffen, so zum Beispiel einige zivile Rotarmisten hinter einem Maschinengewehr: Einer der Männer trägt Fliege, ein anderer einen eleganten Hut. Wüßte man nicht um die blutige Realität der Kämpfe, dann wirkte diese Szene bloß operettenhaft.

Ab Mai 1919 bekannte sich Hoffmann zur Konterrevolution. Diese Parteinahme drückte er aber weniger durch Themenwahl als durch Bildunterschriften der in hohen Stückzahlen verkauften Fotopostkarten aus. Anfang Mai lichtete er einen gepanzerten Wagen der republikanischen Streitkräfte ab und versah dieses Foto mit dem tendenziösen Text „Panzerauto, welches erfolgreich in die Kämpfe eingriff“.

Hoffmann und seine Kollegen gingen aber nie soweit wie die meisten der damaligen Amateurfotografen. Das waren ausschließlich Offiziere der siegreichen Regierungstruppen, die schamlos oft ihre eigenen Greueltaten knipsten. So brachte es ein Offizier der weißen Garde fertig, einen unbeteiligten jungen Arbeiter noch kurz vor seiner Ermordung aufzunehmen. Die sichtbare Todesangst des Opfers gegenüber der Teilnahmslosigkeit der bewachenden Soldaten verleihen diesem Bild grausige Ausdrucksstärke.

Fazit: Eine Ausstellung, die jenseits ihrer fotohistorischen Bedeutung mit ungewöhnlichen Bildern an das ganz gewöhnliche Scheitern einer Revolution erinnert.

Bernhard Greger

Revolution und Fotografie. München 1918/19 ist im Münchner Stadtmuseum bis zum 12.3.1989 täglich außer Montag zu besichtigen. Der Katalog kostet ca. 40 DM