BRD: Das Kreditkarten-Entwicklungsland wird geknackt

Nach jarhrelanger Monopolstellung der Eurocard geben bundesdeutsche Banken jetzt auch Kreditkarten einer ausländischen Organisation aus / Visa-International auf dem Vormarsch / Gegenstrategie des zentralen Bankenverbandes und des Einzelhandels vorerst gescheitert / Vorbild für Karten-Strategien: der britische Markt  ■  Von Ulli Kulke

Riesige Ungetüme mühlsteinförmiger Scheiben, bisweilen drei Meter im Durchmesser und mehrere Tonnen schwer, - so stehen sie in den Dörfern und an den Straßen der winzigen Insel inmitten des Pazifiks. Was für den unkundigen Besucher wie Überbleibsel der vorsintflutlichen Bewohner dieses Eilands anmutet, ist für die Bürger Yaps im ehemaligen US -Treuhandgebiet Mikronesien schlicht und ergreifend Bargeld. Auch heute noch kann mit diesen „Rai“ bezahlt werden, beispielsweise längere Hilfsleitungen bei der Feldarbeit. In der „Bank of Hawaii“ der 2.000-Seelen-Hauptstadt der Insel geht es da schon anders zu. Der Entwicklungshelfer aus den USA tritt mit seiner Kreditkarte bewaffnet an den Tresen. Die freundliche Bankangestellte schaltet sich damit in den weltumspannenden Datenverbund der Kreditkarten-Organisation ein, und binnen weniger Sekunden ist geklärt, ob unser Entwicklungshelfer für die 1.000 Dollar daheim „Bonität“ genießt, damit er bargeldlos die Rechnung für das Hotel begleichen kann.

Daß in der Südsee noch die eine oder andere archaische Geldform „zirkuliert“, die der scheinbar unaufhaltsamen Entwicklung zum bargeldlosen Zahlungsverkehr entgegenstehet, können die Promoter der elektronischen Verrechnungsart in den Hochhaus-büros Londons oder New Yorks noch am ehesten verschmerzen. So gar nicht verstehen wollen sie jedoch, daß es auch in der scheinbar entwickelten Welt der Industriestaaten noch unerschlossene Gebiete gibt, in denen an der Tankstellenkasse oder am Hoteltresen noch der Geldschein regiert. Als Entwicklungsland schlechthin in Sachen Kreditkarten gilt vor allem die Bundesrepublik, wo „noch nicht einmal“ zwei Millionen dieser kleinen Prestigeobjekte in den Brieftaschen stecken (in ganz Europa 57 Millionen).

Dabei macht gerade die hierzulande vorherrschende Meinung, Kreditkarten seien eine Angelegenheit für die oberen Zehntausend, den Managern von Eurocard und anderen am meisten zu schaffen. Sie wollen ihre Produkte zum Massenzahlungsmittel der Republik ausbauen. Vor allem Visa, weltweit mit Abstand die Nummer Eins, in der Bundesrepublik dagegen mit 250.000 Kartenbesitzern Träger der roten Laterne, bemüht sich zur Zeit vehement, den Markt zu „knacken“. Es geht um nicht weniger, als sich bei möglichst vielen Geschäftsvorgängen auf dem bundesrepublikanischen Konsumgütermarkt von über 600 Milliarden Mark seine „Prozente“ zu sichern. Mit nachhaltiger Marketing-Arbeit versucht daher die in London ansässige Visa -Regionalorganisation für Europa, Mittelost und Afrika, ihren Namen in der Bundesrepublik ins Gespräch zu bringen. Bei einem äußerst aufwendig gestalteten Seminar mit „lukullischer Weinprobe“ im Schloß vom Winzergrafen Erwin Graf Matuschka-Greiffenclau darf sich dann die Presse die Zukunftsvisionen der Kreditkarten-Promoter anhören: Der Bargeldverkehr sei insgesamt ein Anachronismus. Spätestens mit der Einführung des Gehaltskontos sei der „über Jahrhunderte gewachsene“ Geldkreislauf einseitig gekappt worden - und daher sei es nun höchste Zeit, auch die andere Seite aufzugeben: „Morgens das Geld vom Girokonto zu holen, es dann im Laden auszugeben, damit der Geldbote es abends wieder in den Nachtschalter der Bank zurückträgt, kann doch nicht der Sinn der Sache sein“, meint Eberhard Adolph, der Geschäftsführer von „Alldata Service“, der Firma, die gerade im Begriff ist, die Bundesrepublik mit einem Netz von elektronisch verbundenen Kassen („Point of Sale“) und zentralen Verrechnungsstellen zu überziehen, mit denen die Kreditwürdigkeit der Kartenhalter diverser Organisationen geprüft und der Kontenausgleich vollzogen werden kann.

Patrick Bowden, General-Manager von Visa in London, träumt davon, daß der Nutzung des Visa-Zahlungssystems selbst im vergleichsweise gut bestückten Gesamteuropa bis 1992 ein Wachstum von 400 Prozent beschieden sein wird.

Marketing für die Kreditkarten-Unternehmen funktioniert anders als Waschmittelreklame. Für sie ist es weniger ergiebig, die Herren und Damen Lehmann, Schulze oder Meyer davon zu überzeugen, mit welchen Vorteilen der Besitz einer Kreditkarte verbunden ist. Es gilt, Banken als Vertragspartner zu gewinnen, die auch die Kreditkarten ausstellen, auf denen dann etwa das Logo von Visa oder Mastercard rechts oben prangt. Das Gesamtbild der Karte ist im übrigen der ausstellenden Bank überlassen, die die Konditionen für ihre Kartenkunden selbst festlegen kann (siehe Kasten). Das Ganze macht natürlich nur dann Sinn, wenn es gleichzeitig gelingt, möglichst viele „Akzeptanzstellen“ zu gewinnen: Händler oder Dienstleistungsunternehmen, die bereit sind, anstelle von Bargeld die Kreditkarten zu akzeptieren. Und dies, obwohl der Händler obendrein auch noch für jeden Geschäftsvorgang ein „Disagio“ bezahlen muß, damit sich das Ganze für Visa, Mastercard, Diners Club und wie sie alle heißen, auch lohnt. Dabei lautet die Devise: Zeit ist - bargeldloses - Geld. Wenn man noch 1979 für die Herstellung des Kontaktes mit der Visa-Zentrale und die Datenübermittlung 54 Sekunden benötigte, so ist Mr. Bowden von Visa in London heute stolz darauf, daß die „real time“ heute ganze 1,8 Sekunden dauert. Hier geht es um Zehntelsekunden - offenbar nicht ohne Bedacht hat sich Visa erfolgreich als offizieller Sponsor der Olympiade in Seoul beworben.

Bislang dicht

Für ausländische Anbieter von Kreditkarten war der bundesdeutsche Markt bis vor kurzem vergleichsweise dicht. Die Banken der Republik waren zu einem Kartell zusammengeschlossen, das über ihre zentrale „Gesellschaft für Zahlungssysteme“ (GZS) lediglich die einheitliche „Eurocard“ ausgab.

Ausländische Kreditkarten-Unternehmen, die mit den bundesdeutschen Banken ins Geschäft kommen wollten, sind bis vor einiger Zeit regelmäßig an deren Panzerglasscheiben gescheitert. Ganz offenbar scheute man in den Frankfurter Bank-Häusern, bei deren Bau untereinander so vehement um die höchste Höhe gewetteifert wurde, in Sachen Kreditkarten nichts mehr als den Wettbewerb. Einen guten Ansatzpunkt, neuen Wind in die Branche zu tragen, erhoffte sich Visa, als die Londoner Abgesandten den Sparkassenverband überzeugen wollten, sein Kartenterminal-Netz, (das umfassendste der Republik), für die sogenannte „S-Karte“ doch kompatibel für die internationalen Kreditkarten zu gestalten. Doch Sparkassen- und Giroverbandspräsident Geiger mauerte, die Kartenbranche maulte: „Geiger ist der Vertreter der Deutschen Bank im deutschen Sparkassenwesen“ hieß es in London unter Anspielung darauf, daß damit auf die Konkurrenz zum Verband der Privatbanken - von der Deutschen Bank dominiert - verzichtet wurde.

„Deutsch“ umstritten

Der Einzelhandel- und Gaststättenverband ging im vergangenen Jahr mit der Ankündigung in die Offensive, eine eigene Kreditkarte auszugeben: Die „Deutsche Kreditkarte“ (DKK) Der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels (HDE) und des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga).Wenn schon der Trend unwiderruflich in Richtung bargeldloser Verkehr ging, so sollte dies für den Einzelhandel wenigstens nicht in gleichem Maße mit Ertragseinbußen verbunden sein. Schließlich müssen die Händler je nach eigenem Geschäftsumfang, Branche und Lage einen bestimmten Umsatzanteil als „Disagio“ an die Kreditkarten-Organisation abführen. Und da war es für sie nur schwer zu akzeptieren, daß der nur an das selbsternannte Monopol GZS gehen dürfte. Einerseits wollte man selbst daran teilhaben, zum anderen aber sollten die Konditionen auch möglichst günstig für Händler und Hoteliers ausgestaltet sein.

Das wollten die bundesdeutschen Banken nun schon gar nicht zulassen. Sie konterten mit der Idee einer eigenen Karte für Jedermann, der „Europlus“, die eine Kombination aus Kredit und Scheckkarte sein sollte. Darüberhinaus vermutet man auch die Hintermänner einer anonymen Klage gegen die DKK im Bankengewerbe. Bislang war die Klage erfolgreich, der Name „Deutsche Kreditkarte“ ist dem Einzelhandel in der vergangenen Woche erneut untersagt worden. Um den Namen „Deutsch“ führen zu dürfen, müsse für ein Mindestmaß an Verbreitung gesorgt sein, so das Gericht. Den Nachweis für nennenswerte Verbreitung blieb der Verband zunächst in der Tat schuldig. Dabei dürfte er keine Schwierigkeiten haben, sie durchzählen zu können. Die Fachwelt vermutet sie möglicherweise noch im dreistelligen Bereich.

Mit der eigenen Kartenantwort, der „Europlus“, waren die Banken weniger erfolgreich. Einmal waren da technische Schwierigkeiten, bei denen man sich selbst ausgetrickst hatte: Das Scheckkartensystem war seinerzeit bei der Einführung der Euroscheck-Karte bewußt auf der Basis eines anderen Magnetstreifencodes konzipiert worden.

Visakarte:

Ich bin eine Berlinerin

Man wollte Kompatibilität mit den weltweiten Kreditkarten erst gar nicht aufkommen lassen, um sie so weit es ging, draußen zu halten. Zum anderen waren Rechtsunsicherheiten absehbar. Beim Kreditkartensystem zahlt der Händler sein „Disagio“, beim Scheck die Bank bzw. der Kunde.

Europlus war also auf dem Minus-Pfad, bevor es überhaupt losging. Unterdessen schafften jedoch die ausländischen Kreditkartenunternehmen ihren Einbruch ins deutsche Geschäft. Wer wußte schon, daß die Banco de Santander in der Bundesrepublik ünerhaupt Geschäfte betreibt. Seit vergangenem Jahr dürfen sich die Spanier nun freuen, daß ihre bundesrepublikanischen Depandancen in der BRD die ersten Kärtchen mit dem Firmensignet emittieren, auf dem rechts oben das Logo von Visa steht. Andere Institute folgten jedoch bald, die Noris Verbraucherbank, die Kundenkreditbank (KKB). Spätestens mit dem Vertragsabschluß von Visa mit der Landesgirokasse Stuttgart allerdings war dem Kartenunternehmen der Durchbruch gelungen. Eine Bank aus dem Sparkassen- und Giroreich des Helmut Geiger war unter die Fittiche der Visataube gekommen. Und als die größte Bank Berlins, die Berliner Bank, sowie obendrein auch noch die Sparkasse Berlin, Kooperation mit Visa vereinbarten, kam Jan Hendrikx, Boß von Visa-Deutschland-Sektion, so richtig ins Schwärmen: „Wir wollen Berlin zu einem Schaumarkt für Visa entwickeln“. Der größte Clou jedoch. Bislang noch inoffiziell steht der GZS, einst der größte Opponent von bundesdeutschen Visa-Ausgabestellen, nunmehr mit Visa in Verhandlung über die Ausstellung einer Generallizenz zur Ausgabe von Visa-Karten, die die GZS dann an einzelne Banken weitergeben will.

Für die in London ansässigen Visa-Europamanager wäre es nunmehr gelacht, wenn in der Bundesrepublik nicht bald ähnliche Geschäftsdimensionen zu erreichen wären, wie sie in Großbritannien zu machen sind. Dort machen die Banken schon heute das meiste Geschäft mit der Ausgabe von Kreditkarten. Die Barclays Bank soll bis vor kurzem mit ihrer Karte viermal so viel verdient haben wie mit der Vergabe üblicher Kredite. Vor allem liegt das jedoch an einem Phänomen, dessen Existenz die Kreditkartenwirtschaft stets so vehement in Abrede stellt, wenn sie den Bundesbürgern die Kreditkarte schmackhaft machen will: Über fünfzig Prozent der 27 Millionen britischen Kreditkarten-Besitzer stehen bei ihrer Bank regelmäßig in den roten Zahlen und lassen sich dann die horrenden Jahreszinsen von 25 Prozent abknöpfen.

Ständige Bonitätsprüfung

Der Kreditkarteninhaber wird sich jedoch bei aller Zahlungserleichterung auch darüber klar sein müssen, künftig beim Kauf seitens der Banken munter registriert, gemessen und begutachtet. Es geht um die Kreditwürdigkeit, um für die Banken etwaige Ausfallrisiken möglichst gering zu halten. Wolfgang Starke, der als Geschäftsführer des Sparkassen- und Giroverbandes die Kooperation mit Visa angestrebt hatte, und bei dessen Scheitern gekündigt hatte, macht den Banken das Ganze unter anderem mit den verbesserten Kontrollmöglichkeiten ihrer Kundschaft schmackhaft. Eine größere Vernetzung bietet den Banken nach Ansicht Starkes die große Chance, auch die Kenntnis über alle Konten eines Kunden besser zu integrieren. Das geht aber nur, wenn sie organisatorische Lösungen finden, die Kartenkonten ihrer Privatkunden in ihr Rechenwerk zu integrieren.“ Kunde, paß auf beim Einkauf, es könnte Dein letzter gewesen sein.