Versager Schule-betr.: "Schulpflicht auf Kosten der Psyche des Kindes", taz vom 9.11.88

betr.: „Schulpflicht auf Kosten der Psyche des Kindes“,

taz vom 9.11.88

Es gibt sehr viele Kinder, an denen die Schule versagt. Die meisten dieser Kinder sind schutzlos dem blinden System ausgeliefert. Sie gehen schlicht unter und geraten bestenfalls in eine „Sonderschule“, denn die meisten Eltern sind autoritätshörig und lassen ihr Kind im Stich. Das ist der einzige Grund, warum die himmelschreiende Zerstörung menschlicher Existenzen im Kindesalter durch öffentliches Schulsystem und gesetzliche Schulpflicht nicht längst zum öffentlichen Skandal geworden ist. (...)

Im Fall Daniel zeigt sich, daß die Schule nicht nur unfähig ist, ihm gegenüber ihre Aufgabe zu erfüllen (ihn bei der Entfaltung seiner Fähigkeiten zu unterstützen), sondern daß sie ihm gegenüber das Gegenteil bewirkt (seine Fähigkeiten untergräbt und teilweise zerstört). Wenn aber im konkreten Einzelfall die Schule versagt und im Zusammenwirken mit dem Gesetz über die Schulpflicht das Kind in eine Situation versetzt wird, in der des Kindes Grundrechte (Schutz seiner Würde und Recht auf freie Entfaltung) auf Null reduziert werden, dann ist das Gesetz über die Schulpflicht unvereinbar mit den unveräußerlichen Grundrechten des Menschen. Die Gesetzgeber haben leichtfertig nicht vorausgesehen, daß das staatliche Schulsystem in Verbindung mit der Schulpflicht derartige menschen-zerstörende Gewalttätigkeit werden kann.

Es ist ja nicht nur Daniel; an mindestens 360.000 Kindern/Jugendlichen versagt die Schule jährlich, monatlich, fast täglich. Wie komme ich auf die Zahl? In zehn Schuljahrgängen haben wir mindestens sechs Millionen SchülerInnen. Acht Prozent gelten als „SchulversagerInnen„; mindestens drei Viertel von ihnen, also sechs Prozent sind SchülerInnen, an denen die Schule versagt. Wer besser Bescheid wissen möchte, sollte des Schweizer Sonderschullehrers Jürg Jegge Dummheit ist lernbar (roro 7680) lesen.

Winni Marold, Weinsberg