„Gute Besserung, Steffi!“

■ Steffi Graf kassiert im Masters-Halbfinale gegen Pam Shriver (3:6, 6:7) ihre dritte Niederlage des Jahres

Berlin (taz) - Es sollte verboten werden, daß eine so kranke Spielerin, wie es die erkältete Steffi Graf am Samstag war, zu einem Tennis-Match antritt. Wie kann es einer armen gesundheitsstrotzenden Pam Shriver zugemutet werden, gegen eine bleiche, spitznasige Gegnerin anzutreten, die nach einem phantastischen Vorhand-Volley der Amerikanerin nur ergeben gen Hallendach schnieft, sich nach einem Aufschlag -As leidend den Fieberschweiß von der Stirn wischt oder nach einem plazierten Rückhandball mit röchelndem Hüsteln davonschlurft, ohne sich allerdings zu fein zu sein, den nächsten Return knallhart und unerreichbar die Linie entlang zu schmettern; die in den Pausen ausgiebig ein Medikament aus einem vom Leibarzt präparierten Handtuch inhaliert und nebenbei zentnerweise Papiertaschentücher vollschneuzt.

Selbst die deutsche Kolonie, deren wild geschwungene Fähnchen auf deren einer Seite schwarz-rot-gold prangte, auf der anderen der Namenszug einer deutschen Autofirma, konnte nicht helfen. Ihre Rufe „Steffi, hau rein“ und „Gute Besserung, Steffi“ blieben ohne sichtbare Wirkung, und vor allem der Rückhand fehlte die gewohnte Präzision. Gegen die gut disponierte Pam Shriver war so nichts zu holen, und anschließend faßte Steffi Graf ihre Gefühle in einem knappen Satz zusammen: „Mir ist zum Kotzen.“

Pam Shriver dagegen muß sich bei jedem errungenen Punkt vorgekommen sein, wie jemand, der einem Lahmen die Krücke wegschlägt. Zum Glück gehört sie zu jener Sorte von Amerikanerinnen, die uneingeschränkt daran glauben, daß die Schwachen selber schuld sind, wenn sie es zu nichts bringen. Dementsprechend trotzig äußerte sie sich nach dem Match: „Es ist mir egal, ob die Steffi krank war oder nicht. Ich habe gewonnen. Ich habe mich auch schon mal schlecht gefühlt, wenn ich gegen sie verloren habe.“ Was man ihr ohne weiteres abnehmen darf, hat sie doch bei den letzten Aufeneinandertreffen der beiden kaum mal einen Ball bekommen. Nachdem ihr politischer Liebling George Bush dank ihrer tatkräftigen Wahlkampf-Mithilfe zum Präsidenten gekürt wurde, wollte sich Pam Shriver nun ihrerseits zum „Master“ aufschwingen. Dazu brauchte sie allerdings noch einen Sieg im Finale gegen die bei diesem Turnier in großartiger Form spielende Argentinierin Gabriela Sabatini, die gegen die Navratilova-Bezwingerin Helena Sukova (CSSR) mühelos mit 6:4, 6:2 gewann. Das Match fand gestern abend nach Redaktionsschluß statt.

Den Wanderpreis für gesteigerte Sensibilität verleihen wir diesmal dem Dritten Fernsehprogramm (Nordkette), das das Spiel Graf - Shriver zeitversetzt übertrug und beim Stande von 3:6, 5:5 den Satz einblendete: „Unser Spielfilm beginnt um 21.45 Uhr.“ Zu diesem Zeitpunkt war es genau 21 Uhr 30.

Matti