Sprengel-Gelände bedroht

Die Bewohner des Sprengel-Geländes in Hannover sollen zwangsgeräumt werden / Angeblicher Grund sind bauliche Mängel  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Die Stadt Hannover will die Mieter der ehemaligen Kofferfabrik auf dem Sprengel-Gelände in der hannoverschen Nordstadt mit Polizeigewalt auf die Straße setzen. Der hannoversche Oberstadtdirektor hat gestern den 50 Bewohnern der Kofferfabrik eine Verfügung zugestellt, in der „alle Nutzer der Kofferfabrik“ und „alle anderen sich dort aufhaltenden Personen“ aufgefordert werden, das Gebäude bis zum 5.Dezember zu räumen. Für den Fall, daß die ehemaligen Besetzer nicht binnen 14 Tagen ausziehen, droht die Stadt, „die Räumung“ durch „Vollzugshilfe der Polizei durchzusetzen“. Als Begründung der Räumungsverfügung dienen der Stadt „erhebliche bauliche Mängel“, die bei einer Besichtigung des Gebäudes festgestellt worden seien.

Bei dieser Besichtigung durch Beamte des Bauordnungsamtes habe man „grob fehlerhafte elektrische Installationen, fehlende Flucht- und Rettungswege sowie feuergefährliche Heizanlagen vorgefunden“, begründete die Stadt gestern die Räumungsverfügung. Da die Beseitigung dieser Mängel nach überschlägiger Rechnung zwischen 100.000 und 200.000 Mark kosten würde und es unzumutbar sei, den Bewohnern diese Kosten aufzuerlegen, gäbe es keine andere Möglichkeit als eine Räumung des Gebäudes.

Dieser Argumentation der Stadt hat schon gestern der Architekt der Bewohner der Kofferfabrik, Dieter Uetzmann, energisch widersprochen. Seiner Aussage Fortsetzung Seite 2

nach sind die Mängel des Gebäudes an elektrischen Installationen relativ leicht zu beseitigen. Zu den von der Stadt ebenfalls beanstandeten ungenügenden Fluchtwegen des Gebäudes erklärte der Architekt, man dürfe an ein über 80 Jahre altes Gebäude nicht die Maßstäbe der jetzt geltenden Bauordnungsvorschriften anlegen. Wenn man dies tue, müsse man die Hälfte der bewohnten Gebäude in Hannover aufgrund fehlender Fluchtwege sperren. Tatsächliche Mängel sieht allerdings auch der Architekt bei der Beheizung durch Kohleöfen, deren Rohre zum Teil einfach durch die Mauer ins Freie führen.

Die Ende Juli mit den ehemaligen Besetzern geschlossenen Mietverträge hatte die Stadt bereits zwei Monate später wieder gekündigt. Mit der anschließenden Räumungsklage kamen die städtischen Juristen allerdings nicht recht voran. In dieser Klage sind zwar alle Vorkommnisse in Hannovers Nordstadt zwischen Juli und September vom Lagerfeuer über den Flaschenwurf bis zum ruhestörenden Lärm aufgelistet, die Stadt konnte jedoch keinen der „Vorfälle“ konkret den Personen zuordnen, mit denen sie Verträge abgeschlossen hatte. Die jetzige Räumungsverfügung des Oberstadtdirektors steht in klarem Widerspruch zu der Vereinbarung über den städtischen Haushalt 1989, die die Rats-SPD und die Grün -Alternative Bürgerliste erst in der vergangenen Woche geschlossen hatten. Dort hatte man sich für das Sprengelgelände auf eine friedliche Lösung geeinigt.