Der West-Berlin-Effekt

S T A N D B I L D („Schaukasten: Filmstadt Berlin“ von Michael Strauven, Di 22.11. ARD 23 Uhr) Was ist der Berlin-Effekt? Daß die Stadt möglichst oft auf der Leinwand erscheinen soll und der Regisseur dafür Belohnung kassiert? Nein, das Geld soll in der Stadt bleiben. Die Crew soll im Kempinski wohnen, mit den einheimischen Taxis fahren und sich zum Drehtermin den einen oder anderen Scheinwerfer mieten.

Nun gibt es aber ein Problem: West-Berlin hat kaum noch intakte Filmstudios. Die Tempelhofer UFA beherbergt Fernsehstudios, die Spandauer CCC-Studios sind in schlechtem Zustand, ebenso die Havel-studios. Also gehen die Filmemacher gern nach Babelsberg.

Nun darf Kultursenator Hassemer natürlich nicht sagen, daß ihm das nicht gefällt. So freut er sich natürlich auch über Dreharbeiten im Osten und überläßt den Klartext seinem Filmbeauftragten Eisenhauer: Die Dreharbeiten sollten in der Mehrheit im Westen stattfinden, und da sollte auch das Geld bleiben. Der Berlin-Effekt, stellt er klar, ist ein West -Berlin-, kein Gesamt-Berlin-Effekt.

Meine Vermutung, daß Ost-Berlin als Drehort für historische Filme besonders geeignet sei, da die Straßenzüge dort eben originaler aussehen, wurde jedoch Lügen gestraft. Wer eine 20er-Jahre-Geschichte erzählen will, dreht am besten in Prag.

Für die Geschichte mit dem Effekt braucht Michael Strauven schätzungsweise zwei Minuten, man übersieht und überhört sie leicht. In den restlichen 43 Minuten hechelt er die Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts durch, inclusive Nazi -Zeit - Strauven: „Film, das ist lebendige Geschichte, und mag sie noch so schmerzlich sein“ - Trümmerfrauen, Rühmann und Rosinenbomber; listet sämtliche Filme auf, die gerade in Berlin gedreht werden und sämtliche in dieser Stadt am Film verdienenden Firmen. Er verliert zwei kritische Sätze über die Querelen um das geplante Filmhaus Esplanade und zwei unkritische über die Geschichte der Filmfestspiele.

Komplett, kompakt und ausgewogen. 100 Werbespots für den Europäischen Filmpreis, pünktlich fünf Tage vor seiner Verleihung. Deshalb wird er auch gar nicht erwähnt, Hassemer kommt dafür um so öfter ins Bild: Schleichwerbung also. „Der Senator kommt sein Geld ansehen“, sagen die Filmleute, wenn Hassemer Dreharbeiten gucken kommt. Strauven beeilt sich zu sagen: „Das ist nicht ganz richtig, natürlich.“

Bestimmt wurde nichts und niemand vergessen in Filmstadt Berlin. Und das ist bekanntlich die beste Methode, gar nichts zu erzählen.

chp