„Kalkar ist Eintrittskarte zur Atommacht“

Wim Klinkenberg, Vizepräsident der niederländischen Journalistenvereinigung und Friedenskämpfer, zur Nutzbarkeit des Brüters  ■ I N T E R V I E W

Der Publizist, der die Kampagne „Atomwaffenverzicht ins Grundgesetz“ unterstützt, hat die Kontinuität deutscher Atomwaffenambitionen untersucht und bereits vor anderthalb Jahrzehnten das Buch „Die Ultrazentrifuge - Hitlers Bombe für Strauß?“ veröffentlicht.

taz: Welche Rolle spielt die militärische Nutzbarkeit der Brütertechnologie Ihrer Ansicht nach in der Bundesrepublik?

Wim Klinkenberg: Das starre Festhalten der Bundesregierung an Kalkar wird in den Niederlanden mit großem Argwohn betrachtet. Es gibt sicherlich auch wirtschaftliche Interessen am Brüter, aber vor allem muß man seine militärstrategische Bedeutung sehen. Zuerst hieß es ja auch, der französische „Super-Phenix“ brüte nicht für die Waffenproduktion. Inzwischen wird ganz klar gesagt, daß das Plutonium für die Force de Frappe gebraucht wird. Das macht klar, daß auch Kalkar dazu fähig ist: Das Plutonium aus dem Brutmantel kann für Atomwaffen verwendet werden.

Nun geht aber doch die ganze Diskussion eher in Richtung einer europäischen Atomstreitmacht, bei der ein rein nationaler Griff der Deutschen zur Bombe kaum denkbar ist.

Wenn die Bundesrepublik mit Frankreich eine gemeinsame Streitmacht aufbaut, will sie nicht von französischem Plutonium abhängig sein. Das ist eine Statusfrage - und ein wichtiger Grund für die Bundesregierung, an Kalkar festzuhalten.

Das heißt, Kalkar wäre die Eintrittskarte für die bundesdeutsche Beteiligung an einer europäischen Atomstreitmacht?

Genau. Die heutige Bundesregierung weiß sehr gut, daß man über Atomwaffen verfügen muß, wenn man auf globaler Ebene wirklich mitreden will. Der Bundesrepublik fehlen Atomwaffen, um sich neben ihrer ökonomischen Stärke auch politisch als Großmacht manifestieren zu können. Ich bin überzeugt: Es gibt in der Bundesrepublik sehr starke Kräfte, die alles daran setzen werden, diese Verfügung zu bekommen. Es ist schrecklich, das sagen zu müssen. Aber die neue internationale Lage mit einer teilweisen Entspannung zwischen den Großmächten schafft Raum für diese neue Gefahr in Westeuropa.

Interview: Charlotte Wiedemann