Der THTR ruiniert die Stadtwerke

Kommunale Mitbesitzer am Hochtemperatur-Reaktor in Hamm können Kostenexplosion nicht verkraften  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Der Atomreaktor der Zukunft löst bei seinen Anteilseignern Konkursängste aus. Mehrere Gesellschafter der Hochtemperatur-Kernkraft GmbH (HKG), die den Tho rium-Hochtemperaturreaktor THTR300 in Hamm-Uentrop betreibt, wollen die finanziellen Belastungen, die mit ihrer Beteiligung an dem Projekt verbundenen sind, nicht länger hinnehmen. Am kommenden Montag soll auf einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung über die Aufstockung der Haftungssummen von Bund und Ländern und die Verlagerung auf mehrere Schultern, möglicherweise auf alle Elektrizitätsversorgungsunternehmen in der Bundesrepublik, beraten werden.

Mit Ausnahme der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW) - Anteil an der HKG etwa 33 Prozent - handelt es sich bei den Gesellschaftern nicht um die großen Stromkonzerne, sondern um kleine, regionale Versorgungsunternehmen. Einige sehen sich durch die explosionsartige Erhöhung der Kosten für den Reaktor in ihrer Existenz bedroht und wollen ihr Engagement lieber heute als morgen beenden.

Ende September wandte sich der Bielefelder Oberbürgermeister Klaus Schwickert (SPD) mit einem dringenden Hilferuf an seinen Parteifreund und NRW Wirtschaftsminister Reimut Fortsetzung Seite 2

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Jochimsen. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Bielefeld, die nur mittelbar über ein zwischengeschaltetes „Gemeinschaftskraftwerk“ an der HKG beteiligt sind, hält Schwickert es in dem Schreiben für „nicht weiter vertretbar, daß die zusätzlichen Kosten und außerordentlich hohen finanziellen Risiken von städtischen Unternehmen getragen werden.“

Alles in allem haben die Gesellschafter bereits heute mehrere hundert Millionen Mark - die Rede ist von 370 Millionen - in das einstige Vorzeigeprojekt der Düsseldorfer SPD-Regierung gesteckt - bei einem Stammkapital der HKG von 90 Millionen Mark. Nach den Errichtungskosten von vier Milliarden Mark, die größtenteils von Bund und dem Land NRW beigesteuert wurden, kommt die THTR-Eigner nun auch der häufig wegen konzeptioneller, technischer Mängel von Stillständen unterbrochene Betrieb teuer zu stehen.

Die Stadtwerke Bremen verließen 1984 als einzige rechtzeitig das sinkende Schiff: Für eine Mark „verkauften“ sie ohne viel Aufsehen ihren fünfprozentigen HKG-Anteil an die VEW. Die Wuppertaler Stadtwerke, ebenfalls nur mittelbar über ein Gemeinschaftswerk am THTR 300 beteiligt, wollen seit Jahren vergeblich aussteigen. Es findet sich kein Käufer. Ein internes Gutachten des Vorstands der Wuppertaler Stadtwerke zur Wirtschaftlichkeit des THTR kommt zu derart verheerenden Ergebnissen, daß man bisher auf seine Veröffentlichung verzichtet hat.

Grüne Ratsfraktionen mehrerer Städte haben inzwischen in einer konzertierten Aktion Anfragen zur wirtschaftlichen Situation der HKG an die Aufsichtsräte ihrer lokalen und am THTR beteiligten Energie-Unternehmen gerichtet. Die Antworten stehen noch aus.