Überflüssig

Zu Kewenigs Volkszählungsbilanz  ■ K O M M E N T A R

Für gewöhnlich läßt der Senat keine Gelegenheit aus, die Einheit mit dem Bund herauszustreichen. Daß diese Bündnistreue aber eine Sache der politischen Opportunität ist, bewies gestern aufs neue der Innensenat. Obwohl bundeseinheitlich geregelt ist, wie die Volkszählungsdaten veröffentlicht werden sollen, schert Berlin aus der Reihe. Während sogar Bayern brav berichtet, wie es auf dem Wohnungsmarkt und bei den Arbeitsstätten aussieht, wird hier vornehm geschwiegen. Da die Wahlen vor der Tür stehen, ist dies sicher kein Zufall.

Trotz aller Erfolgshymnen steht immer noch der Beweis aus, daß die Volkszählung „vernünftige und planende“ Politik ermöglicht. Mag sich Innensenator Kewenig über den Bevölkerungszuwachs und die zusätzlichen Millionen aus Bonn freuen. Wie dies aber in eine „vernünftige“, sprich finanzierbare Infrastruktur-Politik umzusetzen ist, darauf weiß er keine Antwort. Klar war schon lange vor den „vorläufigen“ Ergebnissen der Volkszählung, daß Berlin von allem „mehr“ braucht: mehr Wohnungen, mehr Arbeitsplätze, mehr Kitas. Daß hier eklatanter Mangel herrscht, will man jedoch offensichtlich zwei Monate vor der Wahl der Öffentlichkeit vorenthalten; statt dessen sollen sie harmlose Schönwetter-Daten schlucken. Doch dafür mußten nicht rund 40 Millionen Mark zum Fenster rausgeworfen werden.

Ob die eigentlich interessanten Zahlen noch vor dem Wahltag bekanntgegeben werden, darf bezweifelt werden. Der Senat will sicher nicht über die statistische Negativ-Bilanz seiner eigenen Politik stolpern. Diese Veröffentlichungspolitik macht die Sache „Volkszählung“ nicht glaubwürdig, sondern, im Gegenteil, überflüssiger denn je.

Birgit Meding